Erdbeben in Pakistan |
Projekt: Wiederaufbau der Grundschule von Sakargah Teil 5: 1.6. - 23.6.2006
Link zum vorangegangenen Bericht Teil 4: 1.5. - 31.5.2006Team vor Ort: Haike Lieder, Tino Gräfe
1.6.2006 - Das Fundament des 2. Raumes steht
Wir haben es geschafft! Mit zwei Überstunden, zu denen alle Arbeiter
sofort bereit waren, haben wir das Fundament für das 2. Klassenzimmer fertiggestellt.
Morgen benötigen wir erstmal wieder Kies vom Bach. Leider arbeiten
ausgerechnet morgen die Maultiere für eine andere Baustelle im Dorf. So
müssen die Arbeiter selbst wieder die Säcke vom Bach den Hang
hochtragen.
Die Arbeiter, die dies 8 Stunden machen, kommen teilweise
vom Nachbardorf. Dieses liegt aber nicht im Tal, sondern über uns auf
dem Gipfelgrat. So laufen sie früh um 5 Uhr los, um 6 Uhr pünktlich auf
der Baustelle zu sein. Und sie sind immer pünktlich! Einige von ihnen
arbeiten nach unserem Feierabend noch auf anderen Baustellen hier in
Sakargah. Abends müssen sie 800 Höhenmeter nach oben steigen, um nach
Hause zu kommen. Ich zumindest wäre fix und alle; das jeden Tag bis zum
späten Abend. Diese Arbeiter arbeiten für uns trotzdem hart und fleißig
ohne große Pausen durch.
Nachtrag: Tino und Amir kommen gerade hier an und rufen auf der anderen
Seite des Baches.
Haike Lieder
2.6.2006 - Tinos erste Tage in Pakistan
Erst einmal ein paar Zeilen zu mir. Noch bin ich 41 Jahre. In meinem
richtigen Leben bin ich Straßenbahnfahrer bei der Kirnitzschtalbahn,
habe aber zu DDR-Zeiten Baufacharbeiter gelernt, was hier sehr nützlich
sein wird.
Nach einem normalen Flug mit Zwischenlandung in Doha/Katar bin ich
gestern gut in Islamabad angekommen. Dort erwartete mich bereits Amir.
Die Abfertigung verlief reibungslos, nur Zeit muß man haben. Gegen 6 Uhr früh war ich dann raus. Amir versuchte mich zum Verweilen in Islamabad zu überreden. Doch dafür erschien mir die Zeit zu schade.
Wir brachen also am Vormittag nach Sakargah auf. Acht Stunden Fahrzeit für ca. 300 km; 6,5h bis Besham, dann umladen und noch mal 1,5h mit dem Pickup steil bergauf nach Sagarkah... wollten wir, doch nicht der Pickup. Zum
Glück kam ein anderer entgegen und nicht vorbei. Der fuhr uns die letzten Meter bis zum Camp. Also noch mal umladen. Gegen 20 Uhr begrüßten uns Haike und Karim.
Reden, auspacken, trinken, verarbeiten der Eindrücke und ab ins Bett todmüde). 5.15 Uhr ist Weckzeit!
Der heutige Tag begann 6 Uhr auf der Baustelle. Zum Glück hatten die Arbeiter gestern harte Arbeit geleistet, so dass es heute etwas ruhiger zuging. Es war also genügend Zeit für Haike und Amir, mir alles was mit der Bauerei zu tun hat, zu zeigen. Dennoch ging es auf der Baustelle voran. Vom zweiten Raum wurden 2 Wände angelegt und gemauert und die Hinterwand der oberen Stützmauer weiter verfüllt.
Tino Gräfe
3.6.2006 - 3. Raum begonnen
Während heute alle Mauern des zweiten Raumes angelegt und gemauert
wurden, haben Arbeiter mit dem Schachten des 3. Fundamentes begonnen. Es geht also gut voran und trotzdem haben wir immer wieder neue zu lösende Probleme.
Der noch von Jens bei seiner Abreise bestellte Bewehrungsstahl war immer noch nicht in Sakargah angekommen; deswegen haben wir Amir heute nach Besham geschickt. Nun ist es schon 22 Uhr und Tino und unser Bauspezialist sprechen gerade
abschließend die Schalung für den unteren Ringanker durch.
Von einem Fahrer, der hier auch Informationen nach Sakargah "transportiert",
erfuhren wir, daß Amir diese Nacht in Besham bleiben wird. Sicher wartet er
noch auf die Fertigung des Stahles und bringt ihn hoffentlich morgen
gleich mit. Wir brauchen ihn dringend!
Außerdem tobte hier heute wieder ein Unwetter, und dieses sicher auch in Besham.
Und während ich dies schreibe, wird über den Bach gerufen, daß Amir hier gerade eingetroffen ist - mit dem Stahl.
Haike Lieder
5.6.2006 - Pfingswanderung
Morgen können wir das Fundament des 3. Raumes füllen. Für die Arbeiter ist das eine große Aktion, auf die wir uns wieder freuen, alle haben dies motiviert vorbereitet. Auch ragt die erste Bewehrung für die Stützen aus den begonnenen Mauern des 1. Raumes über die gesamte Höhe des Schulbaus hinaus und die Baustelle gibt ein richtig gutes Bild.
Wir haben uns, auch schon in der Planung, der hier traditionellen Bauweise angepaßt: zuerst werden die Mauern gesetzt und dann die Stützen gegossen. Das spart Schalungsholz, welches hier eben rar ist.
Gestern hatten wir mal wieder geplant, eine Tour auf dem Gipfelgrat unseres Tales zu machen. Wie bisher in all den 4 Wochen, die ich jetzt hier in Sakargah bin, hatte es auch dieses Mal wieder nicht geklappt, da wir nach Feierabend schnell noch nach Besham fahren mußten, um weiteres Schalungsholz zu kaufen.
Heute aber schien nichts dazwischen zu kommen, alles war vorbereitet, und so zogen wir nach Feierabend los, 800 Hm hatten wir vor uns. Als nur noch 200 Hm fehlten, gab es jedoch eine Einladung der Einheimischen zum Tee und wir beschlossen anzunehmen und auf den Gipfel zu verzichten. Planten einfach um und wanderten so in das Dorf, von dem ich berichtete, dass auch von dort jeden Tag Arbeiter zu unserer Schule kommen.
So genossen Amir, Tino und ich gemeinsam mit unserem Vorarbeiter, der uns begleitete, trotzdem einen herrlichen Ausblick und zusätzlich die Gastfreundschaft der Leute der Gegend hier. Mit viel Spaß und heiteren Gesprächen ging es bergab. Mit Einbruch der Dunkelheit erreichten wir sicher unser Camp und schlossen unsere "Pfingstwanderung" ab - mit leckeren Hühnerkeulen, die Karim, unser Koch, zubereitet hatte.
Haike Lieder
6.6.2006 - 3. Fundament fertig
Das Fundament des 3. Raumes ist gefüllt. Es war wieder viel Arbeit aber unsere Leute und auch unsere Technologie werden immer besser und so ging es diesmal alles noch besser als zuvor.
Gleichzeitig haben wir die Schalung für die Stützen und den Anker Unterkante Fenster gefertigt, die nun morgen im 1. Raum angebracht werden soll. Auch werden wir wieder mit
der Betonsteinproduktion weitermachen, denn noch ist nicht die komplette Anzahl benötigter Steine vorhanden.
Heute gegen abend machten wir noch einmal einen Rundgang über die Baustelle und die Schürfstelle am Bach. Unser Arbeiter, der diese Art Kiesgewinnung hier in Sakargah eingeführt hat, war gerade beim Mehlmahlen in der Mühle. Er unterbrach die Arbeit und führte uns in seine Unterkunft. Da wir nicht nur den angebotenen Tee annahmen, sondern uns auch für seinen Garten interessierten, zeigte er uns die Reste seines alten Hauses, welches beim Erdbeben zerstört wurden und welches er aber wieder aufbauen will.
Aber auch die Stelle, wo er vor drei Tagen ein Stachelschwein erlegt hatte.
Wir sammelten die restlichen Stacheln als Souvenir ein.
Auf dem Rückweg zum Camp begleitete er uns und blieb plötzlich stehen. Eine leichte Angst huschte über sein Gesicht - wieder ein Stachelschwein. "Da im Unterholz
bewegt es sich, diese Früchte ist es gern,..."; wir haben es nicht
gesehen; war vielleicht besser so.
Haike Lieder
7.6.2006 - Regentag
Heute weckte uns zu Abwechslung mal nicht die Sonne sondern der Regen. Vom Arbeiten konnte er uns allerdings nicht abhalten und so stellte er dann irgendwann auch seine Tätigkeit ein...
Es wurden heute viele kleinere Arbeiten durchgeführt. So mußte der Weg an der Baustelle verändert werden, da dieser dem Fundament der unteren Stützmauer im Wege ist. Das gestern betonierte Fundament wurde ausgeschalt und gewässert. Natürlich mußten auch wieder viele Säcke mit
Kies vom Bach zur Baustelle transportiert werden, da gestern alles alle
geworden war.
Paul unser Zimmermann - seinen richtigen Namen kann irgendwie keiner aussprechen, er hat sich aber schon an Paul gewöhnt - befaßte sich mit der Schalung für den unteren kleinen Ringanker der demnächst betoniert werden soll.
Eigentlich sollte heute noch der Schlosser kommen um den Mischer und eine Schubkarre zu schweißen, doch das wird nun erst die nächsten Tage werden. Wir lassen uns überraschen.
Für mich war heute noch Waschtag und zum Glück kam das tägliche Gewitter erst am Abend, bis dahin war alles trocken. Ein Drittel meiner Zeit ist nun schon vorüber und es gibt noch so viel zu tun, mal sehen was wir alles noch schaffen.
Tino Gräfe
8.6.2006 - Was wir sonst noch so können...
Haike hat heuten Ihr drittes Kind bekommen! Zwei hat Sie in Deutschland und eins nun auch in Pakistan. Angesichts der Ereignisse fang ich heute mal am Ende an:
Wir waren gerade mit Mittagessen fertig (gegen 14 Uhr 30), als plötzlich ein Junge den Hang herunter gerannt kam und hektisch mit den Armen fuchtelte. Haike kannte ihn und hatte auch gleich eine Ahnung. Sie hatte bei Ihrer Ankunft hier in Sagarkah, eine schwangere Frau kennengelernt und sich ausgerechnet, dass die Geburt des Kindes in Ihre Zeit fällt. Und so war es dann auch. Wir schnappten unseren Notfallkoffer und eilten den Hang hinauf.
Ich wußte, daß ich nicht direkt helfen konnte, da hiesige Frauen für fremde Männer in jeder Beziehung tabu sind. Jedoch konnte ich Haike mit ein paar nützlichen Tipps von außen helfen, da ich bei der Geburt meines Sohnes Paul (5 Jahre) dabei war und sie aktiv erlebt habe. Haike war sehr aufgeregt, hielt sich aber tapfer. Sie überprüfte den Blutdruck der Mutter und hörte nach den Herztönen des Kindes. Sie sollte sogar Medikamente zur Wehensteigerung spritzen. Die wurden Ihr von den Frauen gereicht, samt der Spritze. Eine Sache die man sich zu Hause nicht vorstellen kann.
Gegen 16 Uhr 15 war es dann so weit, ein Mädchen erblickte das Licht der Welt, das dritte Kind der Mutter - alles Mädchen. Die Freude war anfangs begrenzt, man hatte sich zu sehr einen Jungen als Stammhalter gewünscht. Haike durfte das Kind aus dem Schoß der Mutter heben, es ihr zeigen und die Nabelschnur durchtrennen. Eine große Ehre.
Am Ende freuten sich dann doch alle sehr über das gesunde Kind. Wir freuten uns mit, auch darüber daß wir auch diese Situation gut gemeistert haben. Alle Achtung an Haike, sie ist noch ganz schön aufgedreht - verständlicherweise.
So nun zu unserer eigentlichen Aufgabe. Es wurden die ersten beiden Wände des dritten Raumes angelegt und gemauert. Der untere kleine Ringanker wurde fertig geschalt, ich brachte die Bewehrung ein und dann haben wir ihn auch noch betoniert, ebenso mußten Kies und Zement auch wieder rann geschleppt werden. Damit haben wir unseren heutigen Plan erfüllt.
Tino Gräfe
9.-10.6.2006
Auf der Baustelle geht es im wahrsten Sinne des Wortes schrittweise voran.
Auf allen 3 Raumfundamenten sind die unteren Mauern bis
Unterkante Fenster entstanden. Im ersten Raum wurde der untere Ringanker
gegossen und heute ausgeschalt. Dieselbe Schalung haben wir heute für den
zweiten Raum begonnen anzubauen. Uns fehlte aber noch der restliche
Bewehrungsstahl, so dass Amir schon gestern nach Besham fahren mußte, um
ihn persönlich abzuholen, dass es weitergehen kann. Baustopps gibt es aber
trotzdem nicht.
Auch mußte unsere Mischertrommel nach Besham zum Schweißen
gebracht werden, da hier in Sakargah die Netzspannung zu gering ist, um ein Schweißgerät zu betreiben. Es wurde also
wieder mit der Schaufel gemischt, für die Wände und weitere
Betonsteinproduktion waren es ja nicht so große Mengen Mörtel wie für die
Fundamente. Aber Amir traf heute nachmittag mit dem Stahl und der
Mischertrommel hier ein.
Der Trommeltransport hangrunter, über den Bach und
wieder hinauf zur Schule war wieder eine spektakuläre Aktion. So ist heute
für den morgigen Arbeitstag wieder alles gut vorbereitet.
Für die Frauen aus der unmittelbaren Nachbarschaft gab es heute bei dem
frischgeborenen Baby eine kleine Feier anläßlich der Namensgebung. Ich wurde
nicht nur eingeladen, sondern hatte auch noch die Ehre, dem Mädchen einen
Namen zu geben. Nun heißt die Kleine "Shima", wie meine Freundin aus
Indien.
Shima ist übrigens 44cm groß und federleicht, eine entsprechend genaue Waage zur exakten Gewichtsbestimmung gibt es hier nicht.
Haike Lieder
11.-12.6.2006
Auf der Baustelle geht es kontinuierlich voran. Gestern haben wir den
unteren kleinen Ringanker des zweiten Raumes betoniert und heute die
Schalung bereits zum Dritten umgesetzt. Dort wird morgen der Bewehrungs-
stahl eingebracht und wenn alles klappt noch betoniert. Der Maurer
kommt für hiesige Verhältnisse gut voran. Er hat gestern und heute
jeweils eine Seitenwand bis auf die Höhe des oberen kleinen Ringankers
(Oberkante Fenster) gemauert und wird morgen mindestens noch eine
hinzufügen.
Tino Gräfe
13.-16.6.2006
In den letzten 4 Tagen ist auf der Baustelle eine Menge geschehen und
die Wände spenden nun den ersten Schatten. Aber nicht mittags, da steht die Sonne fast genau über uns!
Der untere kleine Ringanker des dritten Raumes ist nun auch betoniert. Im ersten und zweiten Raum wurde bis zum oberen kleinen Ringanker gemauert.
Dieser wird zur Zeit ziemlich aufwendig geschalt, mit ihm entstehen auch die Stürze für Türen und Fenster. Die senkrechte Bewährung für alle drei Räume ist fertiggestellt worden. Amir hat gestern aus Besham endlich den letzen Bewährungsstahl für die waagerechte Bewährung mitbringen können und auch zusätzlichen Zement und Holz zum Schalen des großen Ringankers, auf dem dann die Dachbinder aufliegen werden.
Gestern hatten wir wegen eines Unwetters im gesamten Gebiet hier in Sakargah den ganzen Tag keinen Strom, und während wir vorhin diesen Bericht begannen zu schreiben, wurden wir wieder unterbrochen und zu einem kranken Kind nach Hause gerufen. Aus dem einem Kind wurden dann drei und die Oma; alle mit mehr oder wenigen kleinen Wehwehchen. Eine 16jährige habe ich (Haike) allein fernab der männlichen Blicke in der heimischen Küche untersucht; zum Abschluss gab es wieder Tee.
Es folgte ein kurzer Besuch beim Baby Shima. Amir hatte in Besham eine Wiege für das Kind erstanden, welche wir im Namen des Alpinclubs den Eltern übergaben. Große Freude! Da Amir das Baby noch nicht gesehen hatte, übergab mir die Mutter ihr Kind, um es ihm zu zeigen. Ich verließ mit dem kleinen Bündel im Arm den Frauenbereich und präsentierte Amir ganz stolz meine kleine Shima.
Von zu viel Milchtee noch satt, kamen wir im Camp an und bekamen gleich Abendbrot. Gebratene Ziege, lecker zubereitet. Mittlerweile ist es dunkel, und während wir hier schreiben, "wandern" einzelne Lichter entlang der Hänge und frisch bepflanzten Reisfelder in Sakargah.
Tino Gräfe und Haike Lieder
17.-18.06.2006
Der obere kleine Ringanker des 1. Raumes ist betoniert, und es ist dort auch schon bis zum großen Ringanker und einer Gesamthöhe von 2,50 m gemauert. Heute haben wir mit dem Knüpfen der Bewährung für diesen begonnen. Die Arbeiten in der Höhe werden beschwerlicher; unsere Arbeiter haben sich äußerst imposante Gerüste aus Leitern und Bohlen gebaut.
Die Stimmung auf der Baustelle ist gut, die Arbeiter sind motiviert, denn in den letzten Tagen sahen wir alle deutlich unser Vorankommen.
Tino hat hier echt gute Arbeit geleistet und wir haben eine Menge geschafft. Morgen wird sein letzten Arbeitstag sein und übermorgen wird er nach Islamabad reisen und von dort nach Hause zu fliegen. Nach Feierabend gabes für ihn hier eine kleine Abschiedsüberraschung, aber darüber will er morgen in seinem letzten Bericht selbst schreiben.
Haike Lieder
19.6.2006 - Tinos letzter Arbeitstag
Wie Haike gestern schon angekündigt hatte, war heute mein letzter
Arbeitstag hier auf der Baustelle. Es war aber kein Grund zum Ausruhen,
wir haben auch heute einiges geschafft. So wurden fünf von acht Stützen,
des zweiten Raumes fertig geschalt und betoniert, die erste Wand vom
dritten Raum gemauert und ich befaßte mich intensiv mit der Bewehrung
des Ringankers vom ersten Raum. Diese wurde zur Hälfte fertiggestellt,
und dient somit als Vorlage für Haike und ihren neuen Mitstreiter. Ich
habe somit das mir selbst gestellte Ziel erreicht, daß aber ohne die
fleißigen Hände, die hier jeden Tag kräftig zupacken, nicht möglich
gewesen wäre.
Haike erwähnte gestern in ihrem Bericht eine kleine Abschiedsüberraschung, ich möchte nun etwas näher darauf eingehen.
Nachmittags kam Tahir, unser einheimischer Vorarbeiter, zu uns ins Camp
und brachte einen kleinen weißen Ziegenbock an der Leine mit. Er sagte, der wäre für mich zum Abschied, da war ich erst mal sprachlos. Es dauerte keine halbe Stunde und der Ziegenbock lag in handliche Portionen zerteilt auf dem Tablett. Karim der Koch legte sofort los und bereitete uns ein leckeres Abendmal zu. Gegen 22 Uhr war es dann soweit und ich bekam das, was den Bock ausmacht, als Delikatesse serviert. Wenn man weiß was man da ißt, bedarf es etwas der Überwindung, schmecken tut es aber sehr gut.
Das alles macht den Abschied hier nicht leichter, hat man sich doch so
an die netten und gastfreundlichen Arbeiter gewöhnt. Es war für mich
hier eine große und erfahrungsreiche Zeit die ich nicht missen möchte,
lernt man die Menschen doch von einer ganz anderen Seite kennen als z.B.
im Urlaub.
Dies alles ist aber nur mit voller Unterstützung meiner
Familie möglich gewesen, bei der ich mich auf diesem Wege recht herzlich
bedanken möchte. Ein großer Dank gilt aber auch meinem Arbeitgeber für
die Unterstützung und natürlich dem Alpinclub Sachsen.
Es ist schade, daß die Zeit so schnell vergangen ist, es gibt noch viel zu tun, aber meine Nachfolger wollen auch ihren Beitrag leisten und so verabschiede ich mich hier aus Sagarkah und hoffe vielleicht mal wieder kommen zu können.
Tino Gräfe
20.06.2006 - Stille
Tinos endgültige Verabschiedung heute früh war für die Arbeiter wie für
uns doch wieder sehr ergreifend. Wie auch bei Jens schwebte "der Geist
Tino" noch den ganzen Tag auf der Baustelle; die Arbeiter waren in ihren
Gesprächen in Gedanken bei ihm, immer wieder hörte man ein leises Tino,
Tino..." - In den drei Wochen seines Aufenthaltes hier in Sakargah sind
wir ein enormes Stück am Bau vorangekommen; mit der ihm eigenen
herzlichen Art hat Tino es spielend geschafft, die Leute zu motivieren,
gute Arbeit zu leisten und trotzdem immer guter Dinge zu sein.
Heute aber war es etwas ruhiger auf der Baustelle; drei unserer
wichtigsten "Fachleute" hatten sich einen Tag Urlaub genommen. Bei einer
7-Tage-Woche an unserem Bau und normalerweise keiner festen Arbeitstelle ist dies notwendig. Die Feldarbeit für das Täglich-Brot ist nach wie vor die Hauptarbeit der Menschen hier.
Der Reisanbau ist jetzt in vollem Gange. Fast alle ansässigen Familien und eben auch unsere Arbeiter sind damit beschäftigt. Zum Wässern werden die schon vorhandenen Gräben einfach entsprechend verlegt, überall fließt das Wasser über kleine Wasserfälle die Terrassenfelder herunter. Diese stehen dann ganz unter Wasser. Ochsen ziehen den Pflug, auf dem der Ochsentreiber steht - solange er sich drauf halten kann oder zum mühsamen Anhalten und Wenden der Ochsen in den engen Feldern abspringen muss.
Aus sattem Grün werden die Setzlinge gezogen und in Bündel gebunden, bevor sie auf den neuen Feldern eingebracht werden. In den Feldern arbeiten kauernd auf engsten Raum alle verfügbaren Leute, egal ob Nachbar, Lehrer oder Dorfelektriker, alle werden zur Arbeit herangezogen.
Wir sind trotzdem heute wieder am Bau ein gutes Stück vorangekommen; konnten im zweiten Raum die restlichen drei Stützen nach dem Einschalen betonieren und auch die Bewehrung für den großen Ringanker im Raum 1 ist fertig geknüpft. Begonnen wurde mit dem Einschalen der Tür- und Fensterstürze für den kleine oberen Ringanker im Raum 2; morgen geht es damit weiter.
Heute abend ist es sehr still im Camp. Ich bin mal wieder für ein paar Tage allein hier oben mit Karim unserem Koch; der schläft schon.
Der Bach rauscht heute auch leiser, nur die Grillen zirpen. In den Feldern oberhalb quaken die Frösche. Nicht gerade kleine Käfer surren um die an einem Baumstamm angebrachte Neonleuchte oder einfach mal um mich herum und suchen einen an mir einen geeigneten Landeplatz...
Haike Lieder
22.06.2006 Beerdigung in Sakargah
Wie wir erfuhren ist Tino gestern gut in Islamabad angekommen und sitzt
demzufolge nun im Flugzeug um heute abend in Berlin zu landen. In zwei
Tagen wird hier in Sakargah Dietmar Vogel anreisen, der Tino ablösen und
drei Wochen bleiben wird.
Mir selbst bleiben noch vier Wochen, in denen ich versuchen möchte, den Bau mit Dietmar soweit voranzutreiben, dass dann
das Dach gedeckt werden kann. Das Fertigen der Schalungen und das Einschalen selbst ist derzeit sehr zeitaufwendig; mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln und Arbeitskräften geht es aber nicht schneller. Ich übe mich also geduldig in "pakistanischer Ruhe" - Arbeit gibt es trotzdem überall.
So haben wir gestern das Fundament für die untere Stützmauer abgesteckt und begannen heute es auszuschachten. Immer wieder stießen wir auf auf Felsblöcke, die von den Arbeitern mit dem Vorschlaghammer zerschlagen und in transportable Stücke zerkleinert wurden. Der obere kleine Ringanker für Raum 2 ist fertig geschalt und die Bewährung ist zur Hälfte fertiggestellt; könnte morgen planmäßig betoniert werden.
Heute waren nur 6 Arbeiter auf der Baustelle. Grund war, dass gestern abend der Bruder eines unserer Arbeiter verstorben war.
Es ist hier üblich, dass die Toten noch am selben Tag oder, wenn dies nicht möglich ist, den darauffolgenden beigesetzt werden. Dazu erscheinen alle über das Ableben sofort informierten Verwandten und Freunde. Die Frauen verlassen zu diesem Anlass ihre eigenen Häuser und begeben sich in das Haus des Verstorbenen, um ihn dort zu verabschieden.
Während dieser Zeit richten die Männer das Grab her. Da es sich direkt oberhalb unserer Baustelle befand, konnte ich es kurz sehen. Es wurde ausgehoben und ringsum mit schön geschichteten Natursteinen befestigt. Obenauf lag zur Hälfte eine große schwere Natursteinplatte, die die trauernden Männern, zum Tragen an einem Holzbalken befestigt, heran geschleppt hatten. - Ich nutzte den
Moment zur Besichtigung, als alle trauernden Männer das Grab noch einmal
verließen um sich zur eigentlichen Bestattung zu versammeln.
Da Frauen bei einer solchen nie anwesend sind, verließ auch ich das Areal.
Die Arbeiter habe ich für die Zeit der Beerdigung "beurlaubt"; sie schlossen sich dem Trauerzug an. Hunderte Männer zogen unten am Camp vorbei und stiegen den engen Weg nach oben. Der Verstorbenen muss ein sehr geschätzter Mann gewesen sein!
Alle Frauen Kinder blieben versammelt vor den Hütten stehen. Alles Weitere konnte ich also nur den Berichten unserer Arbeiter entnehmen. Man brachte den Toten auf einem Bett liegend mit verhülltem Gesicht zum Grab und setzte ihn ohne Sarg dort hinein.
Der Kopf des Verstorbenen wurde dort wieder vom Tuch befreit und nach Mekka ausgerichtet. Die Anwesenden warfen eine Handvoll Erde in das Grab. In das vollständig mit Erde bedeckte Grab wurde jeweils am Kopf- und Fußende ein Naturstein gestellt. So fand ich das Grab vor, als ich es am Nachmittag besichtigte. Kleine Friedhofsflächen gibt es überall im Dorf.
Für die Verwandten ist die überstürzte Anreise oft sehr beschwerlich.
Und so wurde ich am Nachmittag in das Haus gerufen um zu helfen. In der Hütte saßen alten Frauen auf dem Boden und beteten um ein dort liegendes Kind. Dieses war mit seiner Familie unter Strapazen Hals über Kopf aus Mansehra angereist.
Die 5jährige war schon 4 Stunden völlig abwesend und reagierte nicht mehr. Ihr Puls war enorm hoch, Fieber 40 Grad. Wir entschieden, sie später nach Besham ins Hospital zu schicken, da ich zu dem Zeitpunkt nicht wußte, was die Ursache war. Also mußte erst einmal bis zur Abreise das Fieber runter! Also als erste Hilfe Wadenwickel. "Obo" heißt in Paschtu "Wasser" und so bekam ich dann auch einen Teller voll... Irgendwie ging es dann aber mit den kalten Wadenwickeln doch. Nach 50 Minuten öffnete die Kleine plötzlich die Augen und war wieder da.
Sie hat eine starke Erkältung, genau wie ihre 1jährige Schwester, die mir mit 39 Fieber als nächstes gereicht wurde...
Jedenfalls war die Familie erst einmal happy, die Frauen hörten auf zu beten und es gab für alle Tee.
Haike Lieder
Tino ist inzwischen gut in Deutschland gelandet, Dietmar sitzt gerade im Flugzeug nach Islamabad.
23.6.2006
Der obere Ringanker vom zweiten Raum ist betoniert und die ersten drei
von acht Stützen vom dritten Raum bereits zum morgigen Verfüllen geschalt.
Die Arbeiter haben dafür und für das Fundament der unteren Stützmauer Zement und Kies heran geschleppt. Der Fundamentaushub für die untere Stützmauer ist fast abgeschlossen, bereitet uns aber jetzt auch neue kleine Probleme. Direkt daneben und oberhalb befindet sich das ursprüngliche 1m hohe Fundament der alte vorherigen Schule. Die beim Erdbeben zerstörten Stellen setzen sich teilweise aus losen Steinen zusammen, welche immer mal wieder abrutschten.
Ein Abstützen, wie in Deutschland üblich,
lohnt sich aber wiederum nicht; zumal unsere Zimmermänner mit dem
Schalen der Stützen beschäftigt sind und wir dafür kein Holz erworben haben,
welches erst aus Besham beschafft werden müßte.
Im Bach wird derzeit Kies richtig guter Qualität geschürft; man hat den
Bach über einen neuen Weg umgeleitet.
Haike Lieder
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