Erdbeben in Pakistan |
Bericht 2. Team (14.-30.10.2005)
verfasst von Thomas Mecklenburg und Rutker Stellke29.10. Materialübergabe in Islamabad
Thomas kommt 10.10 Uhr in Islamabad an und wird vom Jens und Christian vom Flughafen abgeholt. Dann bleiben reichliche drei Stunden für die Übergabe des Materials, das Einweisen in die Technik (E-Mail via Satellitentelefon) und sämtliche organisatorische Dinge. Danach müssen Jens und Christian schon zum Bus, denn Ihr Rückflug geht morgen früh vom 350 km entfernten Lahore ab.
Thomas wird bis zur Ankunft von Rutker am Donnerstag zunächst von Islamabad aus arbeiten. Erst wenn das Team komplett ist, wird die Arbeit in den Bergen fortgesetzt. Ein kleines Manko, aber Rutker konnte leider nicht eher kommen, anderseits war es wichtig, das Material hier in Pakistan direkt vom ersten ans zweite Team zu übergeben. Thomas wird sich an den vier Tagen in Islamabad keinesfalls langweilen, für qualifizierte Helfer gibt es auch hier großen Bedarf.
30.10.
Thomas: Gestern gegen 21.00 Uhr kam der Anruf von der Army, das ich heute nach Shinkiari kommen soll, von dort sollte es dann per Heli losgehen. Kurz nach 7.00 Uhr hat mich mein pakistanischer Begleiter John im Hotel abgeholt, Material einladen und los. Um 12.00 Uhr waren wir dort, aber alleine hatte die Army keine Verwendung für mich. Sie wollten einen Arzt. Den hatten sie zwar, und brauchten für diesen auch Assistenz, jedoch war der Doc Libanese und sprach kein Englisch... Also soll ich Freitag "frueh" mit Dr. Stellke wiederkommen, dann finden sie ein Einsatzgebiet in den Bergen fuer uns. Und ich/wir sollen unbedingt kommen, sie würden uns ganz dringend brauchen... Rauswurf. John ist optimistisch, dass wenn wir Freitag kommen, es auch wirklich losgeht. andernfalls will er mit uns irgendwo was autonom auf die Beine stellen.... Danach sind wir nach Mansehra zurück und haben HUMEDICA gesucht und nach einer Stunde auch gefunden. Leider hatten sie keine Verwendung für mich in den nächsten drei Tagen.
31.10. und 1.11. Islamabad
Thomas: An beiden Tagen habe ich in einem "Medical Center" in einem
riesigen Lager der Regierung mitgearbeitet: Verbände, Verbandwechsel,
Wunden reinigen, Nekrosen entfernen... Dazu habe ich einige venöse
Zugänge gelegt und Infusionen angehängt.
Heute habe ich eine schlimme Verbrennung von einem ca. vierjährigen Kind an
beiden Händen versorgt. Es hatte sich vor einigen Tagen an einem
Gaskocher verbrannt. Ich denke die Wunde ist zwar gut versorgt, aber
niemand sorgt dafür, daß sich der Kleine nicht den Verband wieder
herrunterreißt. Sicher spielt er schon wieder mit beiden Händen im
Sand... Das ist sicher nur ein Beispiel von Hunderten. Auf den Verbänden
sitzen die Fliegen, der Fixateur externa liegt im Sand... Allerdings ist
dies sicher nicht dem Erdbeben geschuldet, sondern der Normalzustand in
einem wenig entwickelten, armen Land.
Eine gute Nachricht ist, daß es seit ich in Pakistan bin, keine Nachbeben
mehr gegeben hat. Was mir Sorgen macht, ist das Wetter. In den Bergen
schieben sich die Wolken zusammen. So manches Camp wird im Schlamm
versinken, wenn es anfängt zu regnen. Außerdem gibt es Gerüchte von
ersten Masern-Fällen im Norden.
2.11. Hausbesuche im Flüchtlingscamp
Thomas: Ich habe heute "Hausbesuche" in einem kleinen Camp von ca. 1500 bis 2000 Erdbebenflüchtlingen gemacht. Akutmedizin war hier nicht nötig, außer einem jungen Mann mit einem stark infizierten Fuß nach Quetschung. Ich habe einige Verbandwechsel gemacht, ein paar Schmerzmedikamente verteilt und vor allem Ratschläge zur Hygiene und zur Vermeidung von Erkrankungen gegeben. Zur Zeit stehen unter den schlechten hygienischen Verhältnissen Durchfallerkrankungen im Vordergrund. Dazu kommen sicher durch Streß und Ernährung bedingte Magenschmerzen... An zweiter Stelle stehen bei den Erkrankungen Atemwegsinfekte. Hier ist das Problem der trockenen, sehr, sehr staubigen Luft, einer allgemeinen Abwehrschwäche durch nächtliche Kälte/Unterkühlung und nicht an letzter Stelle die schlechte Ernährung. Diese ist weniger durch Nahrungsmangel bedingt, sondern durch die Fastenzeit Ramadan. Selbst die Kranken essen und trinken nichts über den Tag, obwohl dies der Koran eigentlich erlaubt. Am Samstag ist der Ramadan vorbei, dann hat sich ein großes Gesundheitsproblem erledigt.
3.11. Das zweite Hilfsteam ist komplett!
Rutker: Der Tag beginnt um 03:40 Uhr. Die erste Schwierigkeit nach der
nächtlichen Fahrt zum Flughafen besteht darin, der Dame am
Check-In-Schalter die kleine Differenz zwischen den von QATAR
AIRWAYS großzügig gewährten 30kg Freigepäck und meinen
53kg medizinischen Hilfsgütern, die ich tatsächlich dabei habe, zu
erklären. Markus, der sich um die Flüge und das Zusatzgepäck
gekümmert hat, hat mir auf die schwere Medizinkiste extra riesige
Schilder geklebt, auf denen nochmal groß und fett HILFSGÜTER
draufsteht, doch als wichtigstes hat er mir eingeschärft, unbedingt
sorgfältig die netteste Dame am Check-In-Schalter auszusuchen.
Mein Glück (oder guter Riecher?) bei der Auswahl einer sehr netten
Dame am Schalter sorgt dafür, daß die Reise relativ problemarm
beginnen kann. In Frankfurt muß ich zwar dann leider doch noch
meinen 14kg schweren Handgepäckrucksack zusätzlich abgeben
und finde ich mich schließlich mit einer Papp-Gepäckbox als
Handgepäck in der Maschine wieder, aber das ist letztlich ja völlig
egal - Hauptsache, alle Hilfsgüter gehen mit auf die Reise!
Pünktlich 04:30Uhr am nächsten Morgen landen wir in Islamabad.
Die Erteilung des über die Botschaft vorbereiteten kostenlosen
Visums klappt prima, irgendwann ist auch das letzte
Gepäckstück da und vor dem Flughafen laufe ich direkt Thomas
sowie einem Mitarbeiter unserer Partneragentur in die Arme.
Zusammen fahren wir erstmal ins Hotel und beginnen dann nach
dem Frühstück damit, die in Dresden, Frankfurt/Oder, Berlin und
anderswo (sogar aus einem Schweizer Krankenhaus ist ein
riesiges Paket dabei!) bis buchstäblich zur letzten Minute
zusammengetragenen Materialspenden zu sichten, zu sortieren
und entsprechend der Planung fuer die nächsten Tage aufzuteilen
und transportfertig zu machen.
Zunächst ist für die nächsten drei bis vier Tage eine Verstärkung
des medizinischen Teams eines Camps gefragt, das die
pakistanische Regierung eingerichtet hat. Das schmeckt uns zwar
eigentlich nicht sonderlich, denn am liebsten wären wir sofort direkt in
die Berge geflogen, aber um sich auf die hiesigen Verhältnisse
einzustellen, ist dieser Start vielleicht am Ende doch gar nicht so
schlecht. Von diesem Camp aus soll dann in den Folgetagen die weitere
Koordination unseres Einsatzes erfolgen, so das wir hoffentlich möglichst
effizient helfen können.
Am Nachmittag besuchen wir noch ein riesiges Zelt-Auffangcamp direkt hier in Islamabad, in dessen medizinischem Zentrum
(2 große Zelte, welche als Sanitätsstützpunkt sparsam eingerichtet sind)
sich Thomas in den letzten Tagen nützlich gemacht hat. Das ganze ist für
mich eigentlich erstmal nur als informativer Besuch gedacht, aber in einem
von den mehreren hundert Zelten, in welchen jeweils ganze Großfamilien
Zuflucht gefunden haben, finden wir einen alten Mann mit einem großen
Fixateur externa am Unterschenkel. Er klagt 20 Tage nach dieser Versorgung
über anhaltende stärkste Schmerzen und kann die Zehen nicht bewegen - hat
erstaunlicherweise aber sogar ein Röntgenbild von seinem Bein zur Hand,
welches sofort eine ganze Reihe von Problemen offenbart. Trotz der
stabilisierenden Versorgung steht der gebrochene Schienenbeinknochen um
ca. 4cm verschoben in Fehlstellung - daran können wir leider nach dieser
Zeit mit den vorhandenen Mitteln auch nichts mehr verbessern. Zusätzlich
sind aber auch 4 von 6 der Metallpins viel zu tief durch den Knochen
geschraubt - sie ragen teilweise mehrere Zentimeter über die
Knochenhinterkante in die Muskulatur hinein; von einem kann man die Spitze
direkt unter der Haut der Wade tasten und ein Pin ist direkt in den
Frakturspalt geschraubt.
So wird aus dem Informationsbesuch unser erster
Behandlungsfall - wir holen das benötigte Material aus unserem Gepäck, der
alte Mann wird in den Med-Punkt verbracht, bekommt von uns eine
kombinierte Local- und intravenöse Anästhesie und dann lösen wir den
Verband. Das Bein darunter sieht schrecklich aus! Die Haut ist stark
verschmutzt und mit angetrockneten Blutkrusten übersäht, an mehreren
Stellen hat sich die Haut zersetzt, es gibt drei bis auf den Muskel offene
Stellen. In mehr als einstündiger Arbeit lösen wir die Inkrustierungen und
reinigen und desinfizieren die Haut so gut als möglich, entfernen den im
Frakturspalt befindlichen Pin und drehen die zu tief eingebrachten Pins
einzeln nacheinander um das laut Bild jeweils zu weit in den Muskel
hineinragende Stück zurück. Anschliessend erhält der Patient einen
fachgerechten Verband. Die rege Anteilnahme der zwei jungen pakistanischen
Ärzte, welche das ganze Lager betreuen, läßt uns hoffen, das diese in den
Folgetagen den Patienten in seinem und unserem Sinne weiterbehandeln
werden. Wir vereinbaren noch die Gabe eines Antibiotikums, was uns auch
sofort versprochen wird. Damit haben wir schon an meinem Ankunftstag zwar
nicht vielen Leuten, aber zumindest einem Patienten ganz erheblich helfen
können!
Inzwischen ist es dunkel - es sind die letzten Tage der Fastenzeit
Ramadan (bei der zwischen Sonnenauf- und Sonnenuntergang
nichts gegessen werden darf) und unseren pakistanischen Helfern
steht deshalb jetzt der Sinn nach einer ausgiebigen Mahlzeit! Viel
Zeit zum Ruhen bleibt uns allen dann nicht mehr - für morgen ist
fuer 4:00 Uhr früh die Abfahrt ins Camp nach Shinkiari vereinbart -
wir sind gespannt, was uns dort erwartet...
4.11. Erste Behandlungen in Jibouri
Wir sind heute um 4 Uhr aufgebrochen um nach Shinkiari zu fahren, wo unter
anderem die medizinische Koordination für ein größeres Territorium
erfolgt. Nachdem die Verantwortlichen dann irgendwann aufgestanden waren,
wurde uns eine durchaus zuvorkommende Behandlung zuteil - es erfolgte eine
Lagebesprechung an einer Planungskarte mit unter anderem Einteilung in
verschiedene Sektoren, bei welcher ich erstmalig das Gefühl hatte, das
zumindest Ansätze einer koordinierten Aktion existieren.
Von den drei von dort koordinierten Sektoren wurde uns vorgeschlagen in den mittleren und
dort in ein von der Regierung organisiertes Camp in Jibouri zu gehen, da
dort ein von einem jungen Arzt geleiteter medizinischer Stützpunkt
existiert, zu welchem die schwereren Fälle kommen bzw. gebracht werden.
Von dort sind dann ebenfalls Erkundungs- bzw. Hilfsausflüge in die noch
weiter nördlich und höher im Territorium gelegenen (und laut Aussage
besonders stark zerstörten) Dörfer möglich.
Wir haben uns dafür
entschieden, wurden im Anschluß dorthin verfrachtet und sind sozusagen
mitten im großen Fest zum Ende des Rammadan hier eingetroffen. Wir wurden
sowohl von den Leuten der Regierung als auch von den Einheimischen extrem
!!! nett empfangen (sind übrigens die einzigen Ausländer hier vor Ort).
Die Leute sitzen im Freien, aber ohne den sehr guten Tee und Kekse
entkommst Du Ihnen einfach nicht! Wir haben ein großes Kunststoffzelt mit
2 Bettgestellen und einem TEPPICH!!!, selbst Kleiderhaken wurden für uns
gebogen. Es wurde uns gesagt , das heute wegen des Festes keine Patienten
mehr kommen würden (gestern seien es über 340 gewesen).
Am Nachmittag durfte ich mein erstes (kleines ) Nachbeben registrieren, auf den Abend
stellte sich dann eine Familie mit einem kleinen Mädchen ein, welches beim
Vorbeigehen an einem zusammenbrechenden Haus einen Stein an den Kopf und
ein Stück Holz an den Rücken bekommen hatte. Zum einen gab es da wohl eine
ordentliche Prellung in der Nierengegend - ich hoffe aber, wir bekommen da
keine größeren Probleme. Das vorherrschende war eine ordentliche,
mehrlappige Rißquetschwunde genau am Augenwinkel, bei welcher die hiesigen
Ärzte nichts tun konnten. Das war unser erster Fall hier - wir haben dem
Mädchen das wirklich sehr fein und mühevoll unter staunender Anteilnahme
des hiesigen medizinischen Personals wieder zurecht geflickt, so das man
am Ende bis auf die Knoten der feinen Naht so gut wie nichts mehr gesehen
hat - für das Augenlied sollte es jedenfalls keine funktionellen Probleme
geben, wenn unsere Antibiotika ebenfalls Ihre Pflicht tun.
Sie wird über Nacht samt Familie hier im Lager bleiben und morgen nach Verbandsabnahme
und Kontrolle entlassen - in zwei Tagen Wiedervorstellung. Diese Aktion
hatte zur Folge, das wir unser eigenes Behandlungszelt bekommen haben - es
wird eigens für uns frei geräumt.
05.11. Ein arbeitsreicher Tag in Jibouri
Heute begann der ziemlich anstrengende Tag mit einem Härtefall: wir haben einen sechsmonatigen Säugling in erbärmlichen Zustand versorgt. Der Kleine wog vielleicht 1500g, war völlig dehydriert und sah wie ein Greis aus - den Anblick der übergroßen Augen werden ich so schnell wohl nicht vergessen können. Wir haben zweimal versucht über einen i.v. Zugang eine Infusion zu verabreichen. Da wir für ein so kleines Kind jedoch kein geeignetes Material zur Verfügung hatten, blieb uns nichts anderes übrig, als ein Infusionssystem zu zerschneiden und als Magensonde zu installieren. So konnten wir erst mal Flüssigkeit zuführen. Anschließend haben wir mit den pakistanischen Helfern einen Transport organisiert, hatten allerdings große Bedenken, ob der Säugling diesen überhaupt lebend übersteht. Der Fahrer hat nach seiner Rückkehr heute abend jedoch berichtet, daß das Kind lebend in einer Pädiatrie in Abottabad abgeliefert worden ist - seine Chancen stehen also nun schon um einiges besser als noch am Morgen...
Unser nächster Einsatz war für uns der bisher sicher spektakulärste Fall: ein kleines Mädchen mit einer riesigen, vom ersten Erdbeben herrührenden auseinanderklaffenden Skalpierungsverletzung, die völlig überraschend nicht infiziert war (unglaublich tolles Immunsystem!) und dazu eine Oberschenkelfraktur in einem völlig desolaten, von Exkrementen halb aufgelösten Beckengips...
In einer mehrstündigen Operation gelang es uns, diese Verletzung wieder abzudecken. Wenn das Immunsystem jetzt noch mal mitspielt (und das hat ja schon viele Tage lang unter noch viel schlechteren Bedingungen funktioniert!) bzw. unsere Antibiotika wirken, bestehen nun auch hier Heilungsaussichten - und das, obwohl man von sterilen Bedingungen hier nicht wirklich (eigentlich überhaupt nicht!) sprechen kann.
Nachfolgend haben wir mit Hilfe von Leatherman und Schweizermesser den Gips entfernt und (bei sicher auch nicht 100 Prozent korrekter Frakturstellung aber scheinbar schon beginnend festen Verhältnissen) einen Gipstutor neu angelegt.
Morgen stehen Verbandswechsel und Drainagenentfernung sowie Ziehen unserer Anästhesieflexüle auf dem Programm und für die nächsten Tage wollen wir möglichst ein Röntgenbild organisieren.
Im Tagesverlauf haben wir natürlich immer wieder auch noch ein paar kleine Sachen eingeschoben, u.a. auch eine 25 Tage alte Hundebißverletzung (nicht sehr entzündet - wiederum ein unglaublich gutes Immunsystem!).
Am Nachmittag war der pakistanische Innenminister mit einer Menge Begleitern sowie einem Fernsehteam vor Ort und hat uns ebenfalls seine Aufwartung gemacht - für uns völlig überraschend, aber sicher für die folgenden Tage nicht von Nachteil!
Mittlerweile haben wir auch den Eindruck, daß die erste Lautwerbung unter der Bevölkerung wirkt - es kommen immer mehr Leute direkt aus dem hiesigen Dorf. Uns wurde erzählt, daß sogar der hiesige Muezzin beim Abendgebet zum Besuch der deutschen Ärzte aufgerufen habe - wenn das kein Fortschritt ist!
Seit heute abend haben wir nun eine einigermaßen organisierte richtige kleine "Station" mit einem einigermaßen sortierten Schrank, morgen sollen wir noch einen besseren "OP-Tisch" bekommen, und dann können wir noch zwei bis unter die Decke gefüllte Zelte mit Hilfslieferungen sichten, bei welchen die einheimischen Ärzte zumindest teilweise nicht wissen, was sie damit überhaupt anfangen sollen bzw. was sie da eigentlich überhaupt haben - an Material wird es uns also voraussichtlich nicht so schnell mangeln...
Als wir heute aus unserem OP-Zelt kamen, war es längst dunkel, doch wir hatten das gute Gefühl, heute einen zwar anstrengenden, aber zu 100 Prozent gut genutzten Tag verbracht zu haben...
06.11. Langsam kommt Routine in unsere Arbeit
Der Tag beginnt wie immer mit dem Weckruf des Muezzins mitten in der Nacht - es ist noch nicht mal 5 Uhr...
Toilettengang, der Atem "gefriert" vor dem Gesicht, ein Sternenhimmel wie in tausendundeiner Nacht und eine Toilette wie in Alcatraz...
Noch kurzes Sternschnuppen-Schauen und dann geht es klappernd zurück in den Schlafsack. Zwei Stunden später werden wir wieder geweckt: es rüttelt wie wild an unseren Betten, alles wackelt und ein tiefes Grollen erfüllt die Luft. Nach wenigen Sekunden ist es wieder still. Für uns im Zelt hat das Beben keine Gefahr bedeutet, aber es gibt noch immer einige Einheimische, die lieber in ihren beschädigten Häusern schlafen als im Zelt - so hatten wir heute leider auch einige frische Wunden zu versorgen, die aber zum Glück nicht so dramatisch waren...
Mehr Zeit haben wieder die teils drei Wochen alten, eitrigen Wunden in Anspruch genommen. Davon haben wir heute zwar nur sechs versorgen müssen, aber mit einer OP-Zeit von durchschnittlich über einer Stunde pro Patient hatten wir trotzdem eine Menge zu tun. Ich bin sehr froh, mit Rutker zusammenarbeiten zu können. Immer wieder bin ich erstaunt, mit welcher Ruhe er auch schwierige Situationen meistert, wie fein und sorgsam er operiert und wie er mit den selbst für hiesige Verhältnisse schlechten Bedingungen umgeht. Wir kennen uns nun seit 20 Jahren, aber noch nie zuvor haben wir medizinisch zusammengearbeitet. Schnell sind wir aber auch am OP-Tisch ein eingespieltes Team geworden und unsere Zusammenarbeit klappt tadellos!
Leider hatten wir heute auch eine junge Frau zu behandeln, deren tiefe Schnittwunde am Auge nicht auf das Erdbeben, sondern familiäre Streitigkeiten zurückzuführen war. :-(
Auch sonst baden wir oft im Wechselbad der Gefühle...
In unserem OP-Zelt gibt es kein Licht, außer dem, was durch die offenstehende Zelttür hereinfällt. Mein Blick gleitet manchmal über Rutkers Kopf hinaus in die atemberaubende Landschaft: ein tiefes, recht grünes Tal, mitten durch unser Camp geht ein reißender Gebirgsfluß. Darüber eine quietschende, wackelnde Hängebrücke, darauf lachende spielende Kinder, überall fröhliche Kinder, freundliche Leute, trotz des Elends, der Obdachlosigkeit, der Perspektivlosigkeit...
Mein Blick geht dann zurück zu unserem Patienten. Dieser hier ist so alt wie mein Sohn, zwei Jahre alt, ein kleiner aufgeweckter Bursche mit hellem Blick und einer ganz schlimmen Schnitt-Quetschwunde am Fuß, die seit drei Wochen vor sich hin eitert. Die Füße starren vor Dreck, wir schrubben was das Wasserstoffperoxid hergibt, die Analgesie gestaltet sich schwierig - der Kleine hat einfach mehr Kraft als wir... Nach einer Stunde ist der Fuß gereinigt, die Wundränder ausgeschnitten, der Eiter raus, der Wundgrund sauber geschabt und die Wunde fein säuberlich vernäht. Rutker hat wieder einmal gezaubert!
Inshallah wird der kleine Knopf wieder ganz normal laufen können...
Das Immunsystem der Leute hier ist immer wieder erstaunlich! Bei uns zu Hause in Deutschland würde solch eine Wunde nach drei Wochen mit Sicherheit zur Amputation führen! ...wenn nicht gar zum Tod!
Zum Glück können wir uns in unserer Arbeit voll auf die Trauma-Fälle konzentrieren. Husten, Schnupfen und Heiserkeit, ausgelöst durch die kalten Nächte in Zelten oder gar unter freiem Himmel, machen inzwischen die überwiegende Zahl der Patienten aus. All das wird uns aber von den pakistanischen Ärzten abgenommen, die hier auch arbeiten. Aber das sind alles Allgemeinärzte und die sind mit der Wundversorgung solch schwieriger Verletzungen völlig überfordert. Wir übernehmen - zusammen mit dem leitenden pakistanischen Arzt - so immer mehr die logistische Leitung der gesamten Ambulanz.
In unserem Lager sitzen wir auf einer Unmenge Arzneimittelspenden aus aller Welt, die eigentlich kaum zu sichten sind. Logisch, daß die pakistanischen Allgemeinmediziner, damit völlig überfordert sind! Das Problem besteht darin, daß die Pakistanis eine Unmenge Sachspenden bekommen haben, aber bisher viel zu wenig Geld! Allein diese Spenden sinnvoll zu verteilen und zum Einsatz zu bringen, kostet jedoch neben unvorstellbarem logistischem Aufwand und Überblick (der hier leider vielfach fehlt) eben auch Geld. Und daran mangelt es nach wie vor, denn mittlerweile überlegt man hier jeden Tag von neuem, wovon man den Treibstoff für die dringend erforderlichen Hubschrauberflüge bezahlen soll!
Wir haben heute zumindest damit angefangen, die bestimmt eine Tonne an Spenden zu sichten und neben unglaublich viel Schrott auch ein paar echte Schätze für unsere chirurgische Arbeit gefunden!
Arzneimittelspenden sind leider eines der gruseligsten Kapitel in der humanitären Hilfe. Ein Tal weiter gab es bis vor wenigen Tagen eine libanesische Ambulanz mit 16 Ärzten (die leider zum Teil nicht einmal englisch sprachen). Die Ärzte sind nun alle wieder nach Hause zurückgekehrt. Nun stehen dort 6 Tonnen (!) Medikamente und Verbandmaterial in einem kleinen Tal mitten in den Bergen und werden bald einschneien...
Und an anderen Stellen werden genau diese Dinge vielleicht dringend gebraucht! Aber wer von den vielen einheimischen Helfern weiß denn überhaupt etwas damit anzufangen und kann die einzelnen Medikamente, Apparaturen und Hilfsmittel überhaupt unterscheiden? Wer soll diese ganzen gut gemeinten Spenden logistisch so verteilen, daß sie einen optimalen Nutzen erzielen?
Die Logistik und ein cleveres Krisenmanagement - schon in einem wohlorganisierten Staat wie dem unseren eine echte Herausforderung - sind hier einfach die Dinge, an denen es am allermeisten krankt. Es reicht eben nicht, eine Tonne Medikamente hierher zu schicken, man muß auch etwas anfangen können damit! Und ein guter Krisenmanager wäre hier sicher mindestens ebenso gut zu gebrauchen wie so mancher ausländische Arzt!
Naja, wie auch immer - falls es unsere Zeit erlaubt, werden wir morgen in das Nachbartal fahren, um uns noch etwas bei den verlassenen Vorräten der Libanesen "einzudecken"...
Was wir dringend brauchen, ist zum Beispiel ein Sterilisator! Bis jetzt desinfizieren wir unsere Instrumente nur mit Formaldehydlösung, die ich illegalerweise mit in den Flieger geschmuggelt habe (der Zweck heiligt die Mittel...)
Ohne dies wären wir ohne jede Möglichkeit, unsere Instrumente wenigstens halbwegs keimarm zu bekommen, vor allem in der kurzen Zeit, die uns zwischen den OP's dafür zur Verfügung steht! Bereits um 16.30 Uhr ist es so dunkel, das wir im Schein der Stirnlampen arbeiten müssen. Strom gibt es erst ab ca. 18 Uhr - wenn überhaupt.
Dann funktioniert hier sogar manchmal eine echte Telefonverbindung, obwohl wir hier wirklich schon so ziemlich am A... der Welt sind.
Das Dorf zählt vielleicht 10.000 Einwohner in der näheren Umgebung, und im Umkreis von 25 km Luftlinie vielleicht 50.000 Menschen, die verstreut in kleinen Weilern leben. Frauen sieht man auf der Straße so gut wie gar nicht, allerdings sind viele, wenn nicht sogar die meisten unserer Patienten Frauen und Mädchen. Wir sind immer wieder erstaunt, wie unproblematisch Untersuchung und Behandlung nach kurzen Startschwierigkeiten ablaufen. Wir scheinen einen großen Vertrauensvorschuß zu genießen! Heute traf mich bei einem meiner Blicke aus dem Zelt ein tiefer Blick aus den Augen einer sonst absolut verschleierten jungen Frau - ein komisches Gefühl...
Ich glaube, wir haben hier genau den richtigen Platz gefunden, an dem wir gebraucht werden, an dem unsere Arbeit sinnvoll ist und wo wir unserer Qualifikation nach richtig eingesetzt sind. Wir werden in den nächsten Tagen sicher unser restliches Material aus Islamabad nachordern, denn zu tun gibt es hier wirklich genug!
Inzwischen ist es 22 Uhr, die Kälte kriecht in alle Ritzen und ich muß noch mal raus aus dem Zelt zum Absenden der Nachricht per Satellitentelefon. Dann geht's aber endgültig in den warmen Schlafsack und dann freue ich mich schon auf morgen, auf den Augenblick, wenn die Sonne aufgeht und man innerhalb von 15 Minuten 3 Lagen Fleece-Kleidung ausziehen kann!
07.11. Das leidige Verteilungsproblem
Heute haben wir nur ein kleines Minibeben registriert. Es geht uns
weiterhin gut und wir werden bestens versorgt. Unsere
Behandlungsfälle waren heute glücklicherweise nicht so
zeitaufwendig - sonst hätten wir auch gar nicht alles geschafft...
Schon jetzt haben wir eigentlich genügend Patienten, aber es
werden täglich mehr. Dafür verbessern sich jedoch auch unsere
Arbeitsbedingungen hier von Tag zu Tag. Nachdem wir heute das
verlassene libanesische Feldhospital besuchten, haben wir jetzt
den am besten ausgerüsteten OP-Trakt (beziehungsweise das OP-
Zelt) der ganze Region. Außer Licht haben wir so gut wie alles.
Gestern haben wir ja sehr daran gezweifelt, daß es in der Nähe
sechs Tonnen (!) medizinisches Material geben soll - heute
zweifeln wir eher an uns: es sind mindestens zehn Tonnen, eher
mehr!!! Die Kisten sind sogar nach UN-Standard sehr gut
beschriftet, aber alles in einem schlimmen Lagerzustand,
verlassen, dreckig, durcheinander geworfen. Und das Schlimme
daran ist: woanders wird das Material wahrscheinlich dringend
gebraucht! Die Koordination der Hilfsmaßnahmen bei einer
Katastrophe diesen Ausmaßes ist eine wohl kaum zu
bewältigende Aufgabe!
Natürlich wird nach wie vor ganz dringend
Hilfe gebraucht, auch wenn hier zumindest an medizinischem
Material zunächst erst mal mehr als genug vorhanden ist. Dafür
fehlt es hier eher an anderen Dingen. Und in anderen Tälern ist es
garantiert genau andersherum...
Wir haben jedenfalls heute alles gefunden, was wir für unsere
Arbeit brauchen. Morgen werden wir noch unser restliches von zu
Hause mitgebrachtes Material aus Islamabad abholen lassen. Wir
werden so lange wie möglich in Gibouri bleiben, denn es gibt hier
mehr als genug zu tun für uns. Das nächste vernünftig
funktionierende Krankenhaus ist in Abbottabad, ca. 75 km (bei dem
derzeitigen Straßenzustand sind das zwei bis drei Stunden Fahrt)
entfernt von hier - für viele der Leute hier im Tal ist das im Moment
einfach viel zu weit weg! Mit unseren Mitteln können wir vor Ort jetzt
ziemlich viel erreichen. Und als uns sogar der Oberarzt aus Shinkiari
heute am späten Abend noch einen Sterilisator vorbei gebracht hat, war es
so ein bißchen wie Weihnachten.
08.11. Technikproblem
Nachdem unser ausführlicher Bericht vom 08.11. leider der Technik zum Opfer gefallen ist (beim dritten vergeblichen Versuch die mail zu verschicken ist das Programm abgestürzt und hat die Schreibarbeit von knapp zwei Stunden mit sich gerissen), gibt es heute nur eine kurze Zusammenfassung: Wir hatten ziemlich viel zu tun, haben operiert was das Zeug hält. Leider mussten wir auch eine Amputation der ersten zwei Zehen eines Fusses bei einem alten Mann vornehmen. Außerdem noch viele Frauen und Kinder mit alten wie neuen Wunden. Morgen gibts wieder einen ausführlicheren Bericht!
09.11. DANKE
Nachdem der gestrige Tag recht erfolgreich war (bis auf das Problem
mit der mail) geht der heutige gleich verkorkst los. Geweckt werden
wir durch einen heftigen Erdstoß (bei uns ist alles OK.), für das
Frühstück haben wir keine Zeit, weil zu viele Patienten kommen, dafür sind
die Patienten nicht da, die zur Kontrolle kommen sollten, die neue - alte
OP-Lampe ist kaputt und unsere nachbestellten Sachen aus Islamabad sind
auch noch nicht da... Heute hatten wir leider auch einen Zustand nach einer Schlägerei zu versorgen, das nervt dann. Aber eigentlich sind die Menschen hier sehr friedlich und ruhig. Ich habe hier noch nicht einen einzigen brüllen
hören!
Gestern abend habe ich einen kurzen Gang durchs Dorf gemacht, das
erste mal! Wir sind zwar schon mehrere Tage hier, aber bis jetzt hatten
wir keine Zeit dazu. wir haben nur einmal von einem kleinen Berg auf das
Dorf geschaut. Unser erster Eindruck war, das ca. 30 Prozent der Hauser
TOTAL zerstört sind. Gestern Abend dann war ich völlig zerstört! Ich
konnte die Tränen nicht unterdrücken. Wenn man durch die Gassen den Hang
hinaufläuft, erst dann sieht man das ganze Ausmaß! Die Häuser sind sooo
zerstört, so total flach das dies von Weitem nicht zu erkennen ist.
Mindestens 80 Prozent ist komplett weg!!! Zerstört und unbewohnbar sind
alle, auch wenn sie teilweise noch stehen. Es ist der Horror, mir kommen
schon wieder die Tränen. Und jeden Tag stürzt wieder etwas ein, was
gestern noch gestanden hat. Hier herrschte schon vor dem Beben große
Armut. Die Menschen versuchen jetzt ihre paar Habseligkeiten aus den
Trümmern zu bergen und fangen auch langsam an, die Trümmer zu beseitigen
und Baumaterial zu stapeln.
An Wiederaufbau ist jedoch nicht zu denken, es
bebt wieder jeden Tag. Andererseits scheint das Dorfleben gut zu
funktionieren, die Schule (ein riesiges UNICEF Zelt) läuft, in
provisorischen Baracken an der "Hauptstrasse" sind die "Geschäfte" offen,
es wird in Garstuben gekocht... Und überall spielende lachende Kinder,
freundliche Erwachsende, immer wieder die Einladung zum Tee trinken vor
den zerstörten Häusern. Aber auch ab und an hört man jemanden zum
Gotterbarmen weinen, irgendwo in den Ruinen.
Sagt allen in Deutschland die uns unterstützen unseren Dank, und gebt vor allem die Dankbarkeit der
Menschen weiter, der wir hier jeden Tag begegnen! Ohne die Unterstützung
durch unsere Familien, Freunde, all die Spender zu Hause, und nicht
zuletzt unsere Arbeitgeber die uns freigestellt haben und unsere Kollegen,
die jetzt zu Hause unsere Arbeit machen, wäre unsere Arbeit hier nicht
möglich - DANKE!!!
10.11. Wintereinbruch
Jeder Tag hat seine guten und schlechten Seiten. Ich fange mal mit den positiven an. Heute früh war die OP-Lampe repariert. Lange vermisste Patienten standen zur Nachsorge vor der Tür, vor allem die beiden mit den verletzten Augen und das Mädchen mit der großen Wunde am Kopf und der Oberschenkelfraktur. Auch die Amputationswunde des alten Herrn verheilt gut.
Und die negative Seite: Über Nacht hat sich der Winter angekündigt. Die ganze Nacht gabs Gewitter mit Dauerregen und Sturm. Das Dorf und das Lager versinken im Schlamm. Die Berge um uns sind weiß. Und das schlimmste daran: Viele unserer Patienten aus den umliegenden Dörfern können jetzt nicht mehr zu uns kommen. Unter diesen Wetterbedingungen können und wollen sie nicht einen drei- bis fünfstündigen Fußmarsch auf sich nehmen, um sich hier von uns behandeln zu lassen.
So haben wir am Nachmittag mal etwas Zeit um unser OP-Zelt aufzuräumen und unsere persönlichen Sachen zu sortieren.
11.11. Was wird, wenn wir gehen?
Trotz des anhaltend schlechten Wetters hatten wir heute wieder jede
Menge zu tun. Neben der inzwischen doch recht intensiven
Verbandswechsel-Sprechstunde kommen auch täglich noch ein paar neue
Patienten dazugekommen. In der Mehrzahl haben sie oft alte, zum Teil
verdreckte oder infizierte Wunden. Heute war auch ein Mann da mit einem
diabetischem Fuß mit ausgedehnter Entzündung, der uns heftigste Sorgen
bereitet - wir haben getan, was für den Anfang möglich war, hier werden
wir die Sache aber auf keinen Fall zur Heilung bringen. Und der Patient
weigert sich ins Krankenhaus zu gehen, obwohl wir ihm den drohenden
Extremitätenverlust eindringlichst geschildert haben...
Die Mehrzahl
unserer Versorgungen, insbesondere auch die für die Situation und
Gegebenheiten hier imposanteren Fälle, entwickelt sich sehr erfreulich.
Sorgen macht uns die Mitarbeit der Familien. Sauberhalten von Verbänden
ist nicht - dagegen haben wir ein Rezept gefunden - wir kleben alles mit
Kreppklebebinden staubdicht zu. Gegen die terminliche Unzuverlässigkeit
weiß ich keinen Rat...
Stundenlang nicht einschlafen kann ich seit Tagen
beim abendlichen Gedankenspaziergang durch das Spalier unserer Patienten.
Nicht bei allen werden wir bis zum Abend des 20.11. eine abgeschlossene
Behandlungssituation erreichen - wer wird sich danach um jene kümmern,
welche ihr Vertrauen und ihre Hoffnung in unsere Hilfe gesetzt haben?
Diese Frage setzt mir im Hinblick auf die dahineilenden Tage allabendlich
etwas stärker zu, aber das Problem wird wohl nicht befriedigend zu lösen
sein, wir können wohl nur hoffen, daß das Immunsituation, das
einheimisches Sanitätspersonal und die von dort ausgehende,
allgegenwärtige Antibiotikagaben den notwendigen Rest für "unsere"
Patienten tun! Leider ist auch dort eine saubere Arbeitsweise bei
Wundverbänden unbekannt. Die Patienten könnten ja ins Krankenhaus
gehen...- reine Illusion, es sind von hier mehr als zwei Autostunden,
Fahrzeugkapazitäten gibt es de facto keine, es käme für die Mehrzahl aber
ohnehin nicht in Frage. Zu uns kommen sie, weil wir eben zufällig hier und
damit in drei bis fünf Stunden Fußmarsch noch erreichbar sind.
12.11. Eindrücke aus der Umgebung von Jibouri
Gestern hat Thomas im strömenden Regen mit einem Auto unsere
restlichen Sachen (hauptsächlich Sachspenden, die wir aus Deutschland
mitgebracht hatten) aus Shinkiari abgeholt. Der heftige Niederschlag hatte
die Straße in eine tiefe Schlammrinne verwandelt die durch die
steckengebliebenen Fahrzeuge schon fast unpassierbar geworden war. Aber
der Fahrer war ein Künstler seines Fachs und so war Thomas dann irgendwann
abends doch wieder da.
Heute gönnt das Wetter den Einheimischen und uns
eine Verschnaufpause - es hat aufgehört zu regnen, die Sonne scheint
wieder und alles wird etwas trockener. Erst haben wir auch heute alle
Patienten mit chirurgischem Profil abgearbeitet.
Die Teilung mit dem einheimischen Allgemeinarzt klappt gut - er behandelt die internistischen
Sachen - von den hier speziellen Erkrankungen und Gepflogenheiten verstehe
ich ja nicht viel, außerdem können wir nicht selber kommunizieren. Alle
Verletzungen und sonstige Wunden, welche er selber nicht in der Zeit und
Qualität behandeln kann schickt er drei Meter weiter in unser OP- Zelt zur
Versorgung. Was dann noch zu besprechen ist, übersetzt er für uns -
eigentlich eine Arbeitsteilung zum beiderseitigen und vor allem
patientenseitigen Vorteil.
Danach sind wir mit einem Allrader das Tal bis ins letzte Ende
hinaufgefahren und haben auch die Planen, Schlafsäcke und Isomatten,
welche gespendet wurden, mitgenommen. Die Sachen haben wir in einem
Zeltcamp weit oben kurz vor dem Ende der Strasse, wo sich ca. 80 Menschen
in acht Zelten auf das Überstehen des Winters rüsten, zu jeweils in etwa
gleichen Teilen den Zeltbewohnern übergeben. Wir hatten den Eindruck, daß
die Sachen dort gut zu brauchen waren. Sie wurden auch sehr dankbar
angenommen.
Ein paar Details von der Fahrt: Während wir im Auto unterwegs waren, soll
die Erde wieder etwas gebebt haben. Bemerkt haben wir das nicht, als wir
im nächsten Ort ankamen, gab es aber erneut vier Tote und auch Verletzte
(wir hatten abends bei unserer Rückkehr auch noch Patienten zu behandeln).
Wir haben das ehemalige zentrale Krankenhaus des Tals gesehen - ALLE
Gebäude sind ein kaum vorstellbarer Trümmerhaufen - und es gehörte
bautechnisch sicher zu den solideren Arbeiten. Auch Betonstürze - und
Ständer sind einfach zerborsten und zu grotesken Figuren verdreht. Der
Krankenwagen ruht unter den Trümmern seiner zusammengebrochenen Garage,
vom vier Jahre jungen Röntgengerät spießt der Rest des Ständers ins
ehemalige Dach - wir haben es fotografiert, aber die Komplexität der
Zerstörung läßt sich mit keiner Kamera einfangen!
An einer Stelle wurde
unterhalb der Straße gesprengt, wir mußten warten. An der Stelle war eine
riesige Stein- und Schlammlawine ca. 100m breit ca. 200m tief bis zum Fluß
abgegangen und hatte alles weggerissen. Die neue Piste war aber schon eine
Weile frei gesprengt. Wir haben uns daher nach dem Grund der Arbeiten unten am
Fluß erkundigt. Zum Zeitpunkt des ersten Bebens und des riesigen
Erdrutsches war ein vollbesetzter Bus an dieser Stelle der Strasse! Er
wurde mitgerissen und von den Massen begraben - jetzt versucht man ihn
frei zu sprengen - bisher noch ohne Erfolg.
In den Dörfern in der Tiefe der Gebirgstäler ist ALLES kaputt, es
steht wirklich kein Stein mehr auf dem anderen. Auf jedem halbwegs
ebenen Quadratmeter stehen Zelte. Täglich kommen Leute samt dem
Wenigen, was ihnen geblieben ist, weiter herunter, um den Winter an
anderen Plätzen zu überstehen.
In jedem Ort arbeiten inzwischen Ärzte -
teils Pakistani aus den Krankenhäusern der nicht so betroffenen Regionen,
teils internationale Helfer wie wir - im letzten Ort zum Beispiel ein
Amerikaner, der bis Mitte Dezember durchhalten will. (Ich bin innerlich
immer noch am Hut-Ziehen, denn dort sah es noch viel trostloser aus als
hier bei uns.) Wir haben mit den Kollegen gesprochen, sie wollen alles,
was sie selber nicht versorgen können, zu uns schicken. Und wenn wir hier
nicht mehr ausreichend behandeln können, schicken wir die Patienten in ein
Krankenhaus - und für solche Transporte stehen in unserem Lager zwei
Fahrzeuge bereit.
Wir werden also für die restliche Zeit unsere Arbeit
hier weitermachen, da wir hier auch nach wie vor die Einzigen mit diesem
Profil sind und in Jibouri genau den richtigen Platz für unsere Arbeit
gefunden haben.
14.11. Hoher Besuch und viel Arbeit
Heute war es für uns ein gelungener und ereignisreicher Tag.
Der höchste Armeegeneral von Pakistan (wahrscheinlich der zweite Mann im
Staate hinter dem Staatspräsidenten) machte hier einen Arbeitsbesuch und
hat sich die Ehre gegeben, vor seinen Begleitfotografen auch uns die Hand
zu schütteln und sich nach unserer Arbeit zu erkundigen sowie seinen Dank
auszusprechen.
Auch vom Pakistanischen Roten Kreuz war eine Delegation da,
und Thomas versäumt in solchen Fällen nie, diese Leute betreffs eines
kleinen OP-Teams zu unserer Ablösung anzusprechen! Sollte das
klappen, wäre es natürlich toll! Wir haben hier gute Arbeitsmöglichkeiten
für solche Versorgung etabliert, die dann weiterhin genutzt werden können.
Falls das nichts wird, werden wir das Nahtmaterial und die speziellen
Medikamente, die noch übrig sind, in ein Krankenhaus bringen und Leuten
übergeben, die etwas damit anfangen können – schon um Sicherzustellen,
daß nichts einfach irgendwo herumliegen bleibt!
Unser OP-Zelt war auch heute wieder ein volles
Haus, wir hatten kräftig zu tun. Eine Reihe neuer und frischer Fälle,
darunter auch anspruchsvolle Sachen standen auf dem Programm. Unter
anderem jetzt noch abends ein vierjähriges Kind mit drei ordentlichen
Kopfplatzwunden, welches uns freundlicherweise von einem ein Kilometer
entfernten, neu errichteten Camp der Organisation Mercy Corps zur
Versorgung geschickt wurde (wir hatten das Camp heute in einer kleinen Pause am späten Nachmittag besucht und unsere Zusammenarbeit angeboten).
Weiterhin haben wir begonnen die mitgebrachten Kindersachen direkt an
"unsere" Kinder zu verteilen - die werden ihnen gleich angezogen, so sehen
wir, ob es paßt und die Kinder merken, daß die Sachen schön warm sind
und sich angenehm tragen. Mit dieser Taktik können wir nach unserem
Dafürhalten sicherstellen, das die Sachen nicht so am Straßenrand liegen
bleiben, wie die LKW-Ladungen, die wir mehrfach gesehen haben und die die
Leute offensichtlich bisher verschmäht haben, da sie eben so gar nicht dem
üblichen Outfit ihres Kulturkreises entsprechen.
Wir haben ebenfalls einen
Schuhmacher aufgetrieben, welcher den rechten Schuh und die Orthese für
unsere kleine schwerverletzte Patientin vom Beginn (mit der Kopfverletzung und der Oberschenkelfraktur) zurechtmachen soll - wenn alles klappt, wie ich es mir vorstelle, wird sie an unserem letzten
Tag ohne Fäden am Kopf, mit Orthese statt Gips und angepaßtem Schuh auf
den eigenen Füßen vor der Kamera stehen; ich bin selber sehr gespannt, ob
uns das am Ende so gelingt.
Was Sinn, Effekt und Erfolg unserer Arbeit
betrifft, so sehen wir den nächsten Tagen optimistisch entgegen!
15.11. Alltag in Jibouri
Der heutige Tag lief arbeitsmäßig nach Plan ohne besondere Höhen oder
Tiefen. Wir haben einige unserer Patienten mit dem Ziehen der Fäden
endgültig verabschiedet, außerdem den bearbeiteten Schuh für unsere kleine
Patientin bekommen - an der Orthese wird noch gebastelt.
Am Nachmittag
wollten wir ein kubanisches Feldlazarett in der Nähe von Shinkiari
aufsuchen - infolge Fahrzeugmangel ist jedoch nichts daraus geworden.
Statt dessen war Thomas im Ort Fotografieren und Filmen, während ich einer
Lieferung von 90 Zelten per Hubschrauber beiwohnte.
Bei einem
anschließenden Treffen mit vier Mitarbeiterinnen von World Vision kam es
zum regen Erfahrungsaustausch. Da die vier Frauen täglich im gesamten Tal
unterwegs sind, hatten sie auch einen Überblick, wer dort alles arbeitet:
wir sind tatsächlich die einzigen Deutschen hier. Außerdem haben wir
erfahren, daß derzeit pro Tag im Durchschnitt 22 Nachbeben registriert
werden, von welchen wir inzwischen aber nur noch die stärkeren
registrieren.
16.11. Krankentransport nach Abbottabad
Auch heute konnten wir wieder einige unserer Fälle abschließen bzw. sind dem Ende ein Stück näher gekommen. Es gab jedoch auch Patienten mit neuen Sachen, zum Beispiel eine 14 Tage alte Brandverletzung an der Hand eines Säuglings - wir tun, was noch möglich ist. Kurz nach der Mittagszeit sind wir mit einem unserer Patienten der letzten Tage nach Abbottabad ins UNI - Hospital aufgebrochen; wir hatten bei ihm eine seit längerer Zeit bestehende eitrige Entzündung der Stirnhöhle entlastet, welche schon den Knochen der Stirnhöhlenvorderwand zerstört hatte. Nun muß er in einer HNO-Fachabteilung weiter versorgt werden.
Wir haben die Gelegenheit genutzt und wertvolle Teile unserer mitgebrachten Medikamente und Nähte, welche wir nicht verbraucht haben und auch in den verbleibenden Tagen nicht mehr benötigen werden, dort an die entsprechenden Fachspezialisten zu übergeben. Sie haben sich gefreut. Wir hatten noch kurz Gelegenheit, den derzeitigen Stand der pakistanischen OP-Technologie zu beäugen - ist schon noch SEEEHR anders; mit unseren Möglichkeiten macht jeglicher Vergleich absolut keinen Sinn. Nachfolgend haben wir kurz ein ebenfalls dort befindliches Feldlazarett des IRK, welches von Norwegen eingerichtet wurde und von Japanern betrieben wird angesehen - das hat schon sehr unseren Vorstellungen von moderner Katastrophenmedizin entsprochen, dort haben wir auch gleich eine Dose der für unser Verbrennungskind benötigten Spezial-Brandwundensalbe rekrutiert.
So schön diese Möglichkeiten dort sind, darf es (wie schon erwähnt) nicht darüber hinweg täuschen, daß diese Versorgungsstationen für die Mehrzahl der Patienten, welche wir hier behandelt haben, nicht erreichbar sind und bleiben. Wir sind um 12:30 gestartet und waren 19:20 wieder hier, hatten sicherlich Aufenthalte, aber auch ein gutes Auto und einen schnellen Fahrer. Für die überwiegende Mehrzahl unserer Patienten wäre das nicht machbar, mit dem Ambulanz-Auto könnte man pro Tag auch max. zwei bis vier Leute verschicken, mehr Kapazität ist nicht da. Und wo wir das Auto gerne eingesetzt hätten, wird es eben teilweise vom Patienten selbst abgelehnt, wie bei dem Mann mit dem diabetischen Fuß, welcher sich standhaft weigert und von uns weiterbehandelt werden will. Das ehrt uns ja einerseits, aber andererseits sind wir in absehbarer Zeit nicht mehr da, und ich habe keine gute Idee, wie es mit ihm dann weitergehen soll.
Derzeit errichtet ein 42köpfiges kubanisches Kontingent ein weiteres Feldlazarett eine halbe Autostunde entfernt hangabwärts – aus unserer Sicht strategisch sehr ungünstig - sie werden große Probleme haben, die entsprechende Anzahl an Patienten für ihre Versorgungsmöglichkeiten dort "einzusammeln". Wir wollen evtl. morgen dort mal einen Besuch machen - vielleicht kann ich denen ja unseren Problemfall aufschwatzen und diesen dann auch noch überzeugen, wenigstens dieses kleine Stück von Jibouri abzurücken.
17.11. Höhen und Tiefen
Auch heute stand die Versorgung "unserer" Patienten wieder im Mittelpunkt - alles in allem in den meisten Punkten erfreuliche Entwicklungen. Völlig überrascht war ich allerdings, daß der Patient, den wir gestern mit viel Aufwand nach Abbottabad ins Unihospital gebracht hatten, heute wieder hier war. Er hatte einen eine DIN A4 Seite langen genauen Verlegungsbericht unseres Arztes mit, in dem alles detailliert in englisch beschrieben war. Die "großen Spezialisten" haben ihm nach seinen Aussagen einmal in beide Ohren, die Nase und den Hals geschaut und dann befunden, daß er gesund sei und sie nichts an ihm zu behandeln hätten. Unter den unübersehbaren Verband am Kopf haben sie keinen einzigen Blick geworfen und auch den Bericht haben sie ignoriert. Soviel zum Thema spezialisierte Versorgung !!!
Wir sind dann also mit ihm ins Camp der Kubaner gefahren. Die sind nun seit einer Woche jenseits allen Bedarfs am Rödeln, sehen sich aber noch nicht in der Lage, auch nur einen Patienten zu behandeln, da sie weitere fünf Tage zum Aufbau ihres Camps einrechnen. Sie machten auch ansonsten weder einen gastfreundlichen - noch motivierten Eindruck (vermutlich wurden sie delegiert und sind nicht gerade scharf auf das, was sie hier eigentlich leisten könnten). Bei 42! Leuten haben sie nur einen Chirurgen dabei, der auch nicht weiterhelfen konnte; ein HNO-Spezialist ist nicht im Team. Von den 42 Leuten waren vielleicht ein halbes Dutzend mit irgendwelchen Tätigkeiten beschäftigt - der Rest hat sich die Zeit mit "humanitärem Zuschauen" vertrieben (das ist ein Terminus von Thomas).
Ich habe also dem Patienten unsere Drainage aus der Stirnhöhle entfernt, er bekommt noch Antibiotika und wir hoffen für ihn, daß die Entzündung auch so zurückgeht. Aber sicher ausschließen können wir einen Rückfall so leider nicht, und das ist schade, denn nach der OP sieht es optisch erst mal gut aus.
Nachmittags habe ich noch Näharbeiten zur besseren Anpassung der Orthese erledigt – für morgen haben wir das Ziehen der letzten Fäden, Gipsabnahme und Orthesenanlage bei unserer kleinen Patientin geplant. Hoffentlich klappt das alles, wie wir es uns wünschen - es soll ein guter Tag für uns alle und insbesondere für das Kind werden!
Abschließend waren wir noch beim Barbier und zur Körpergrundpflege und sehen jetzt wieder einfach zum Knutschen aus!
18.11. und 19.11. Letzte Tage in Jibouri
Hier wird es jetzt jede Nacht kälter und auch die Tage sind schon deutlich kühler. Es bebt vor allem nachts und am frühen Morgen immer noch, wenn auch nicht mehr so stark. Für uns waren es wieder zwei erfolgreiche Tage, wir haben viele Behandlungen erfolgreich abgeschlossen, und uns auch auf die Übergabe des OP-Zeltes vorbereitet.
Heute (19.11.) am späten Nachmittag, nachdem noch einmal sehr viele Patienten da waren, sind wir noch in ein paar höher gelegene Bergdörfer gefahren und haben unsere letzten Sachen verteilt, darunter auch noch zwei Reservezelte, eine große Plane sowie einen Teil unserer persönlichen Bekleidung, den wir nicht mehr brauchen. Für den 20.11. haben wir noch einmal alle Patienten zur letzten Kontrolle einbestellt.
Es macht sich schon etwas Abschiedsschmerz breit, aber wir freuen uns auch sehr auf Zuhause. Wie allerdings unsere Patienten und all die Menschen hier den Winter in Zelten überstehen sollen, ist für uns Europäer kaum vorzustellen. Im Moment verdrängen wir die Gedanken daran und konzentrieren uns auf unsere Arbeit.
20.11. Abschied von Jibouri
Heute war unser letzter Tag hier in Jibouri. Wir haben unsere Patienten bis zum Schluß versorgt, nur drei müssen noch vom lokalen Allgemeinmediziner zu Ende behandelt werden. Einige neue Fälle sind auch wieder dabei gewesen, wobei wir von diesen nicht mehr alle aufgenommen haben, weil wir es unverantwortlich fanden, eine chirurgische Versorgung an einem Ort anzufangen, wo die Weiterversorgung dann nicht gewährleistet ist.
Nach dem letzten Patienten haben wir sozusagen offiziell unser OP-Zelt an die lokalen Kollegen übergeben und gemeinsam ein Abschiedsessen veranstaltet. Sowohl mit schwerem Herzen, aber doch auch mit Vorfreude auf die "Zivilisation" in Islamabad, aber vor allem auf Daheim, haben wir unsere sieben Sachen gepackt. Morgen werden wir uns dann hoffentlich aus Islamabad melden.
21.11. Rückfahrt nach Islamabad
Nun sind wir wieder in der Hauptstadt, in Islamabad. Wir wurden von unseren pakistanischen Freunden mit einem kleinen Bus in Jibouri abgeholt und haben uns auf den anstrengenden Heimweg gemacht. Trotz des Verkehrs und der Straßenverhältnisse haben wir noch einen Abstecher von 35 km nach Balakot gemacht: hier war das Epizentrum des großen Bebens. Und nun weiß ich nicht mehr weiter...Für das, was wir beide dort gesehen haben, fehlen uns alle Worte. Das Grauen, das Elend, die Verwüstung ist nicht beschreibbar, nicht fotografierbar, nicht filmbar! Selbst für uns, die diesen Ort gesehen haben, selbst im Moment unserer Anwesenheit, ist es nicht nachvollziehbar, was dieses Beben für die Menschen hier bedeutet hat.
Ja, unser Einsatzort war nur 20 km Luftlinie entfernt, auch dort war die Zerstörung 100 Prozent. Aber es bedrückt doch noch viel stärker, wenn nicht ein Dorf, sondern eine große Stadt mit all ihren Stahlbetonbauten völlig verdreht am Boden liegt. Uns beiden kamen Gedanken an Hiroshima, an das nach dem Krieg zerstörte Dresden oder Berlin...
Ich fühle mich noch nicht in der Lage, weitere Details zu beschreiben. Es wurde eine lange stille, deprimierte Rückfahrt nach Islamabad, wo wir erst in der Nacht ankamen. Im Hotel gabs eine halbwegs heiße Dusche und etwas zu essen. Dann sind wir totmüde ins Bett gefallen und haben die ganze Nacht wachgelegen...
Lesen sie auch den Bericht des 1. Teams (Jens Sommerfeldt und Christian Walter) sowie aktuelle Meldung zur Arbeit des 3. Hilfsteams (Jens Sommerfeldt, Michael Jürgens und Dr. Thomas Gündel).