Erdbeben in Pakistan |
Projekt: Wiederaufbau der Grundschule von Sakargah Teil 1: 12.3. - 24.3.2006
Team vor Ort: Marcus Goldhahn, Jens SommerfeldtGeplant ist der Wiederaufbau einer zerstörten Schule in Sakargah. Dies ist nicht innerhalb von 2...3 Wochen zu bewerkstelligen. Da unsere Helfer aber als ehrenamtliche Kräfte nur Ihren Jahresurlaub dazu verwenden können, fahren wir diesmal gestaffelt, um mit geringen Kosten eine möglichst große Zeitspanne abdecken zu können.
Der Bericht hier erfolgt fortlaufend, da eine Aufteilung in einzelne Teams kaum möglich und im Sinne einer kontinuierlichen Arbeit auch nicht sinnvoll erscheint. Klicken Sie hier um direkt zur neuesten Meldung zu springen
12.3. Abfahrt im Tiefschnee
Dresden 5 Uhr morgens. Die Straßen sind tief verschneit, auf der Leipziger
Straße wurden weder Winterdienst noch Straßenbahn gesichtet. Marcus
beschließt, nichts anbrennen zu lassen und beginnt die Reise nach Pakistan
mit einem 40 minütigem Fußmarsch von Pieschen bis zum Dresdner
Hauptbahnhof. Dort treffen wir, Marcus, Norbert und Christian, am Zug nach
Frankfurt zusammen. Jens Sommerfeldt ist früh mit aufgestanden um uns zu
verabschieden. Dankenswerterweise hat er unser Gepäck zum Bahnhof
transportiert. Dieses hat wieder bedrohliche Ausmaße angenommen.
In Frankfurt stößt noch Thomas Niederlein zu uns. Das Einchecken unseres
vielen Gepäcks geht problemlos vonstatten, Kuwait Air behandelt uns sehr
zuvorkommend. Der Abflug in Frankfurt verspätet sich um eine Stunde und so
erreichen wir unseren Zwischenstop Kuwait ebenfalls zu spät. Unsere
Umsteigezeit ist nicht sehr reichlich angegeben und so befürchten wir
schon das schlimmste. Dann stellt sich aber heraus, daß der Weiterflug mit
dem selben Flugzeug geschieht und so ist uns der Anschluß natürlich
sicher.
13.3. Ankunft in Islamabad
Wir landen gegen 6 Uhr Ortszeit in Islamabad und werden dort schon
erwartet. Unser alter Freund Jehangir, Begleiter auf vielen Touren holt
uns vom Flughafen ab.
Einige wenige Dinge sind noch zu erledigen: letzte
Absprachen mit unseren Partnern von ATP, die wieder für die ganze Logistik
zuständig sind, Geld tauschen und das Dringendste: Thomas muß erstmal zum
Zahnarzt. Noch in Frankfurt auf dem Flughafen war ihm eine Krone
herausgefallen, dies muß natürlich vor dem Start in die Berge unbedingt
repariert werden. Es dauert bis kurz nach 12, ehe er endlich vom Zahnarzt
wiederkommt. Man hatte ihn ins Islamic International Dental Hospital
geschickt und dort wurde er gleich als Anschauungsobjekt für eine Klase
von Zahnmedizinstudenten genutzt. Am Ende zählt jedoch nur das Resultat:
die Krone sitzt jetzt wieder fest.
Danach fahren wir unverzüglich los in
Richtung Mansehra. Seit Dezember hat sich viel geändert. In Abbottabad
sind die sichtbaren Erdbebenschäden schon zu einem bedeutenden Teil
beseitigt. Hier gibt es kaum Frost im Winter, so das die Zeit gut genutzt
wurde. Ruinen findet man hier keine mehr, an allen Ecken und Enden wird
gebaut, jedes zweite Fahrzeug transportiert Baumaterial, ein regelrechter
Bauboom hat die Stadt erfaßt. Kurz nach drei Uhr erreichen wir Mansehra
und besuchen dort das Mountain Institute of Education Development (MIED).
Man führt und durchs Haus und stellt uns die Arbeitsweise vor. Alles macht
einen sehr klaren und systematischen Eindruck. Einige Ideen faszinieren
uns. So wird uns erzählt, daß der Hauptgrund für mangelnde Leseleistungen
einfach die Tatsache ist, daß die Kinder nichts zu lesen haben. So wurde
ein System einer mobilen Bibliothek geschaffen. Schulen erhalten eine
Kiste mit 100 Büchern und diese Kisten werden dann monatlich zwischen den
verschiedenen Schulen getauscht. Gegen fünf machen wir uns wieder auf den
Weg, verstärkt um Mr. Bulbul Jan vom MIED. Er wird uns bei den ersten
Vorarbeiten In Sakargah unterstützen. Hinter Mansehrah führt der
Karakorum-Highway in die Berge und schon bald sieht man den Unterschied zu
Abbottabad - je weiter man kommt, desto weniger wurde bisher wieder
aufgebaut. Ein Großteil der Menschen wohnt hier noch in Flüchtlingscamps.
Viele Ruinen stehen noch genauso da, wie im Oktober gleich nach dem Beben.
Im Winter hat man hier nicht so viel tun können, zudem scheint hier in den
Bergen, wo der Anteil der zerstörten Häuser viel größer ist, der Mut zum
Wiederaufbau noch nicht so ausgeprägt zu sein. Nachbeben gibt es ja immer
noch, vorgestern erst ist bei einem Beben der Stärke 5.2 ein Mann durch
eine einstürzende Mauer getötet worden. Später auf der Fahrt wir es dunkel
und das erspart uns wohl einen Großteil des Elends in den Regionen
Battagram und Shangla. Um neun Uhr erreichen wir Besham und quartieren uns
dort im Hotel ein. Nach einen leckeren Abendmahl fallen wir todmüde ins
Bett.
14.03. Erste Beratung in Besham
Der heutige Tag begann für uns mit einem Frühstück im Hotel in Besham. Danach beabsichtigten wir uns mit einem geeigneten, geliehenen Fahrzeug in Richtung Sakargah zu begeben, um die örtlichen Gegebenheiten gemeinsam mit unserem Begleiter von MIED, Mr. Bulbul Jan, zu begutachten. Eigentlich war gedacht, im Flüchtlingscamp in Kund, in dem sich viele Bewohner aus der Region Sakargah aufhalten, nur einen kurzen Zwischenstop einzulegen. Doch dann kam alles anders. Gleich nach der Ankuft in Kund gab es freundliche Begrüßungen und man erinnerte sich an Begegnungen während der vorangegangenen Hilfsaktionen. Die Leute aus Sakargah rieten von einer Weiterfahrt ab, da es unter den bestehenden Wetterverhältnissen zu gefährlich sei diese Straße zu befahren. Es regnete seit dem frühen Morgen ununterbrochen stark und man befürchtete Erdrutsche auf dem Weg nach Sakargah. Auch hatte der Winter anders als im Dezember noch angenommen doch einen Großteil der Familien aus Sakargah ins Camp nach Kund getrieben. So änderten wir unseren Plan. Nach einem Rundgang durch das Camp, während dem wir uns von der katastrophalen Situation der Bevölkerung ein Bild machen konnten, und einer kurzen Visite bei einer Kinderimpf-Aktion, luden wir einige Verantwortliche der Dorfgemeinschaft ein, uns nach Besham ins Hotel zu begleiten. Dort konnten wir in aller Ruhe und vor allem im Trockenen mit Ihnen das Vorgehen beim Schulaufbau besprechen. Während dieses Gespräches wurde schnell klar wie nötig und dankbar angenommen all unsere Hilfe ist. Wir erklärten den Anwesenden auch, dass es nicht nur wir sind, welche die Hilfe bringen, sondern das vielmehr sehr viele Spender in Deutschland hinter uns stehen. Wir verblieben mit der Vereinbarung gemeinsam mit zwei Vertretern der Dorfgemeinschaft und dem MIED Mitarbeiter nach Batagram zur Schulbehörde zu fahren und dort weitere Schritte vorzunehmen bzw. den Weg für diese zu ebnen. Nach einem gemeinsamen Tee verabschiedeten wir uns und begaben uns auf den Weg durch Besham. Für eine Gruppe, Thomas, Marcus, Jehangir und Amir wurde es im weitesten Sinne ein Schaufensterbummel, da wir einige Preise für Baumaterialien und Werkzeuge einholten. Christian und Bulbul machten sich auf den Weg zu einem Stützpunkt der UNICEF in Besham, um dort ein ausreichend großes Zelt zur Einrichtung einer Behelfsschule zu organisieren, denn zur Zeit findet zwar Unterricht im Flüchtlingscamp statt, doch die Dorfbevölkerung plant, noch im März komplett nach Sakargah zurückzukehren und das Schulzelt können sie nicht einfach so mitnehmen. Bei UNICEF war aber niemand anwesend, der dies entscheiden konnte und so vertröstete man sie auf den kommenden Donnerstag, an dem sei der Verantwortliche für diese Angelegenheiten vor Ort. Am Abend berieten wir noch lange über das weitere Vorgehen.
15.3. Besichtigung vor Ort in Sakargah
Als wir früh aus dem Fenster schauen, sind die Berge hinunter bis auf ca.
1700 m weiß - über Nacht hat es dort geschneit. Doch nun kündigt sich
gutes Wetter an und wir starten mit einem gemieteten Jeep in Richtung
Sakargah. Aus dem Flüchtlingscamp nehmen wir noch den Schuldirektor und
einige weitere Personen mit hinauf ins Dorf. Der Fahrweg ist immer noch
sehr schlecht und stellenweise gefährlich, wir kommen nur mühsam voran und
brauchen eine reichliche Stunde für die Fahrt. Die letzten 500 m gehen wir
zu Fuß.
Glücklicherweise war der Winter nicht so schneereich wie der
vorhergehende und die ersten Märzwochen waren recht warm. So ist schon
alles weggetaut, in Sakargah blühen schon die Kirschbäume. Auch unter
denen, die den Winter oben im Ort verbracht haben - diejenigen, die
Viehzucht betreiben und sich im Winter um die Tiere kümmern mußten -
treffen wir viele Bekannte, die sich über unser Kommen freuen. Sie
erzählen uns, daß es mit dem Kochergas prima geklappt hat, einige haben
noch gar nicht alles verbraucht.
Wir erfahren auch einen weiteren Grund,
warum der Wiederaufbau in den Dörfern gegenüber den Städten
hinterherhinkt: Die Städter haben die staatliche Hilfe von 200.000 Rupees
(3000 EUR) pro zerstörtem Haus schon erhalten, in den Dörfern sind - wenn
überhaupt - nur kleinere Teilbeträge ausgezahlt worden. Wir besichtigen
kurz das aus den im Dezember von uns bezahlten Wellblechplatten errichtete
Schutzhaus um Mühle und Generator und erklimmen dann den letzten Anstieg
zur Schule. Es gibt hier eine Grundschule (1.-5. Klasse), eine
Mittelschule (6.-8.) und eine Oberschule (9.-10. Klasse). Wie gestern mit
den Dorfvetreten schon besprochen, wollen wir uns dem Aufbau der
Grundschule widmen. Das erscheint allen hier (und auch uns) die
dringlichste Aufgabe.
Marcus und Thomas beginnen gleich damit den Zustand zu sichten und Maße aufzunehmen.
Auch wenn noch einige Wände nach dem
Beben stehengeblieben sind, es muß alles abgerissen und einschließlich der
Fundamente neu errichtet werden. Noch während des Aufmessens beginnt ein
fürchterliches Gewitter. Hagelkörner prasseln nieder und wir sind froh,
uns gestern jeder noch einen großen Regenschirm besorgt zu haben. So
flüchten wir bald in eines der Zelte und werden dort mit Tee und Gebäck
bewirtet. Als der Regen nachläßt, steigen wir wieder bis zum warteneden
Jeep hinunter und fahren zurück nach Besham. Vor Ort haben wir jetzt alles
Notwendige in Erfahrung gebracht. Marcus wird morgen gemeinsam mit dem
Schuldirektor nach Battagram zur Schulbehörde fahren um die notwendigen
Genehmigungen zu erhalten.
Am Freitag wird Jens dann in Islamabad landen
und gemeinsam werden sie den Wiederaufbau dann in Angriff nehmen. Norbert,
Thomas und Christian werden noch heute Abend mit dem Bus nach Jaglot
weiterfahren (aus irgend einem Grund fahren die Busse in diese Richtung
hier immer nur Abends ab). Von ihrer Tour werden sie erst wieder von zu
Hause aus berichten.
16.03.2006 - Rückfahrt nach Islamabad
Heute steht die Rückfahrt nach Islamabad auf dem Programm. Dabei wollen
wir noch einige Sachen erledigen, um den Übergangsunterricht in Zelten zu
sichern und den Bau der Schule voranzutreiben. Nach einem Frühstück in
kleiner Runde fahren wir aus Besham mit drei Vertretern des Dorfes Sakargah in Richtung Battagram. Vorerst jedoch
nehmen wir einen noch von Christian vereinbarten Termin im UNICEF Büro Besham wahr, um zum
einen unser Vorhaben vorzustellen und weiter um die Bereitstellung eines
oder mehrerer Zelte zu bitten. Die Zelte sollen für die Schüler in
Sakargah eine Übergangslösung darstellen, da der Schulunterricht derzeit
unter freiem Himmel stattfindet. Der Verantwortliche im UNICEF Büro ist
von unserem Vorhaben sehr angetan muss uns aber, hinsichtlich der Zelte,
an die zuständige Stelle in Battagram verweisen.
Also begeben wir uns auf
den Weg. In Battagram angekommen, suchen wir zuerst die Schulbehörde auf.
Auch dort freut man sich über die Hilfe aus Deutschland und versichert,
dass es seitens der Schulbehörde keine Einwände gibt. Voller Zuversicht
fahren wir nur wenige Meter weiter zum UNICEF Büro Battagram. Dort
erhalten wir weitere wichtige Informationen. Vor allen weiteren Schritten
sollten wir uns jedoch an die zuständige ERRA (erthquake relief and
reconstrukt agency) wenden, denn das Bauvorhaben an sich ist abhängig von
deren Vorgaben und Richtlinien.
Nachdem wir unsere Begleiter aus Sakargah
verabschiedet haben, machen wir uns auf den Weg zu eben dieser Behörde.
Während eines Gespräches mit einem leitenden Mitglied der pakistanischen
Armee, genauer einem Ingenieur, weist der uns darauf hin, dass es nicht
erlaubt ist, ohne die entsprechenden Vorgaben und Richtlinien, sowie einer
entsprechenden Genehmigung mit den Arbeiten an der Schule zu beginnen. Er
gibt uns jedoch zu verstehen, dass dies nicht lange auf sich warten lässt.
Mit diesen Informationen und neuen Erkenntnissen machen wir uns auf den
Weg nach Manserah, um den Mitarbeiter von MIED dort zu verabschieden.
Nach
einigen weiteren Stunden Busfahrt erreichen wir schließlich Islamabad.
Auch wenn der vergangene Tag den Anschein erwecken sollte, dass wir
bezüglich unseres Vorhabens keinen Schritt weiterkommen, so sind Amir und
ich sehr zuversichtlich und froh darüber all diese Informationen eingeholt
zu haben, denn all diese Informationen sind unheimlich wichtig, damit
unser Projekt letztendlich auch erfolgreich ist.
17.03.2006 - Das Hilfsteam ist komplett, Jens Sommerfeldt kommt zum 3. mal nach Pakistan
Pünktlich 7.00 Uhr Ortszeit setzt die Boeing 777 der Emirates Airlines in
Islamabad auf. Die Nacht war lang und wie immer beim fliegen, konnte ich
nicht schlafen. Außerdem war der Kurzbesuch auf dem Dubai Airport ein
echtes Erlebnis. Aber darum bin ich nicht hier. Ich werde von Marcus und
Amir empfangen. Es gibt gleich viel zu bereden. Und ich erfahre erstmal
den gesamten Stand des Projektes und das was Marcus und Amir gestern alles
schon in Erfahrung gebracht haben. Christian und vor allem Marcus haben
schon gute Arbeit geleistet.
Unser Projekt nimmt langsam Formen an, jetzt
muss nur nach ein genauer Plan her, wie wir die Arbeit möglichst effektiv
gestalten und die Aufgaben verteilen. Nach weiteren Gesprächen mit Ashraf
Aman von ATP haben wir nun eine Strategie entwickelt, die nach unserer
Überzeugung funktionieren wird und die effektiven Umgang mit den
Spendenmitteln sichert. Dabei wird vor allem Amir eine große Rolle
spielen. Er hat sich in der kurzen Zeit super eingearbeitet und versteht
die Zusammenhänge mit den Behörden am besten.
Mit Unterstützung des
gesamten ATP-Teams werden so die Behördensachen geregelt. So werden wir
hoffentlich noch bis Sonntag die Genehmigung und die Bauvorschriften von
ERRA (erthquake relief and reconstruct agency) erhalten. Vor Ort wollen
wir dann 2 Fachkräfte einstellen, die die Gewerke Holz und Stein/Beton
realisieren. Sie sollen sich die jeweiligen Hilfskräfte rekrutieren.
Unseren Hilfsteams obliegt die organisatorische Kontrolle und die
Durchsetzung der Bauvorschriften. Gemeinsam werden wir alles erforderliche
Material beschaffen.
Unser erster Zeitplan ist recht knapp und wird zwar aus
den Fugen geraten, aber die nächsten Tage werden zeigen, wie die Arbeit
voran geht. Dazu kann aber jetzt noch nichts gesagt werden. Morgen werden
wir mit Ashraf Aman ins Regierungsviertel fahren und die Genehmigung bei
ERRA anschieben. Bloß gut das er so gute Beziehungen hat. Wollen wir
hoffen, dass die pakistanischen Behörden unser Anliegen durch eine
schnelle Arbeitsweise unterstützen, aber es sind Beamte und man weiß
nicht, ob die bürokratischen Mühlen in Pakistan tatsächlich schneller
mahlen. Jetzt bin ich natürlich tot müde. Ich werd sicher schlafen wie ein
Stein.
18.03.2006 - Frühling in Islamabad
Das erste Team ist nun seit 6 Tagen im Land. Hier in der Hauptstadt sind
die Regentage von Sakargah vergessen, denn die Sonne scheint und mittags
werden schon 25 Grad erreicht. Wir denken dann oft an euch in Deutschland,
wo der Winter nicht aufhören will. Leider ließ sich in den 6 Tagen noch
nicht so viel bewegen, wie wir es gern gehabt hätten. Aber wir glauben
heut ist der Durchbruch gelungen. Wir waren im obersten Machtorgan von
Pakistan, wir sind im Premierministerium vorstellig geworden.
Dort stellte sich auch heraus, dass wir ohne die Genehmigung durch die ERRA (erthquake
relief and reconstrukt agency) nichts hätten machen dürfen. Durch die
freundliche Vermittlung von Ashraf Aman hatten wir einen Termin beim
verantwortlichen Regierungsbeamten. Jetzt ist endlich Bewegung in die
ganze Sache gekommen. Wir sind uns eigentlich sicher, dass wir am Montag
die Genehmigung und die nötigen Bauunterlagen in die Hand bekommen.
Ein Wermutstropfen ist, dass die Kosten für eine Schule von der ERRA auf
80.000 US Dollar kalkuliert wurden. Das ist zwar eine Maximal-Kalkulation
und wir denken, dass wir einiges durch unsere effiziente Arbeitsweise
einsparen können, aber es ist immer noch sehr viel Geld (wir hatten mit max. 50.000 EUR kalkuliert), dass vor allem
durch die Preisexplosion im Baugewerbe und die Sicherheitsanforderungen
(Erdbebensicher bis 8,0 auf der Richter Skala), herrührt. An der
Sicherheit können und wollen wir auch nicht sparen! Also heißt es, weiter
um Spenden zu bitten.
Der Bau einer Schule in Sakargah ist doch dafür eine
wirklich lohnende Aufgabe, denn eigentlich werden ja 6 neue Schulen
benötigt. Wir wollen auf jeden Fall unseren Beitrag dazu leisten, dass die
Kinder wieder in schönen und sicheren Gebäuden lernen können.
Ein Erlebnis
war es, dass Regierungsviertel zu besichtigen, vor allem wenn man z.B. die
Widersprüche zu dem nicht weit entfernten Rawalpindi sieht. Alles ist sehr
groß, sehr schön und sehr sauber und natürlich bewaffnete
Sicherheitskräfte an jeder Ecke. Gern hätten wir Fotos gemacht, aber die
Apparate wurden uns am Eingang verständlicherweise abgenommen. Überhaupt
wird der Sicherheit große Aufmerksamkeit gewidmet. Sicher zu verstehen in
einem Land mit großen sozialen Spannungen.
Den Rest des Tages haben wir damit verbracht alles
erst mal überschlägig durchzurechnen und den Zeitplan für die nächsten
Tage festzulegen. Ein einstündiger Basar-Besuch, gleich um die Ecke,
rundete den anstrengenden Tag ab. Morgen werden wir dann beginnen die
ersten Sachen für den Baubeginn zu beschaffen und Kontakte zu
qualifizierten Arbeitskräften zu knüpfen.
19.03.2006 - Abwarten
Wir sind in Islamabad und warten. Es ist belastend, so untätig zu sein. Aber wir sind auf die Regierung angewiesen und haben alles im Moment mögliche versucht die Sachen zu beschleunigen. Wir hoffen nun, dass morgen alles so klappt wie es uns versprochen wurde.
20.03.2006 Der Kampf gegen die Bürokratie erfordert viel Geduld
Am Morgen machen wir uns auf den Weg ins Büro unserer Partneragentur, um
dort einen Anruf der ERRA abzuwarten. Dieser Anruf soll uns einen Termin
bei dieser Behörde einräumen, zu welchem wir die erforderlichen
Bauunterlagen und Genehmigungen erhalten sollen. Nach einigen Stunden des
Wartens und zwei Anrufen bei dem betreffenden Beamten werden wir wieder
einmal auf den nächsten Tag vertröstet. Uns wird jedoch versprochen, dass
wir in jedem Fall am Dienstag Nachricht und einen Termin erhalten. Wir
sind also auf den morgigen Tag gespannt.
Während der Wartezeit erfahren
wir aus der Zeitung von zwei erneuten Beben in unserem Einsatzgebiet.
Gemessen an den bisherigen sind diese aber kaum der Rede wert. Sie
erreichen "lediglich" eine Stärke von 4,0 und 4,1 auf der Richter Skala.
In Islamabad war davon nichts zu spüren.
Neben den langwierigen
Behördengängen und Telefonaten hatten wir am vergangenen Samstag das
Vergnügen, während eines Einkaufes von Elektromaterialien für den Bau in
Sakargah einen interessanten Mann kennen zu lernen. Dr. Azam Chaudhary hat
in Deutschland Ethnologie studiert und später gelehrt. Derzeit ist er
Dozent an der Universität in Islamabad. Am heutigen Abend hatten wir ein
längeres Gespräch mit ihm, in welchem wir unser Vorhaben und die
derzeitige Lage schilderten. Er bot sich zum einen als Übersetzer an und
zum anderen möchte er für uns seine Kontakte zur deutschen Botschaft
nutzen. Unsere große Hoffnung ist nun, dass so all die erforderlichen
Prozesse ein wenig beschleunigt werden können. Außerdem ist er sehr
interessiert an unserer Arbeit und kann sich eine Zusammenarbeit in
Sakargah vorstellen. Er lädt uns zu einem Treffen mit einigen Studenten am
morgigen Tag in die Universität ein. Wir sind wirklich gespannt, was
dieses viel versprechende und interessante Gespräch noch so alles ergibt.
Die augenblickliche Situation zehrt zunehmend an unseren Nerven und leider
auch an der Hoffnung auf einen schnellen Fortschritt unseres Projektes.
Immer wieder erklären wir, dass wir hier sind um den Menschen zu helfen,
wissen aber auch, dass es ohne die entsprechenden Behörden nicht
funktioniert. Wir sind trotz aller Warterei sehr zuversichtlich, all die
Genehmigungen in den nächsten Tagen zu erhalten. Denn dann endlich können
wir das tun, wozu wir hier sind.
21.03.2006 "Ihr habt die Uhr, wir haben die Zeit"
Wie wahr dieses pakistanische Sprichwort ist, bekommen wir wieder einmal zu spüren.
Unsere Geduld wird weiter auf die Probe gestellt. Außer immer wieder bei
der ERRA anzurufen und höflich um einen Termin zu bitten, haben wir kaum
eine Chance, voranzukommen. Es hat nach Auskünften aller bisher Befragten
auch keinen großen Sinn, einfach zur Behörde zu fahren - reinlassen werden
sie uns ohne Termin ohnehin nicht...
Das gestern vereinbarte Treffen mit
den Studenten und dem Professor am Nachmittag verlief hingegen ziemlich
gut. Der Prof. dreht wirklich an sämtlichen Rädern, uns zu helfen. So
stellte er uns einen Kollegen vor, dessen Bruder Kontakte zu den Leuten
der ERRA hat. Morgen will sich der Bruder mit uns treffen, um Namen und
Nummern kundzutun, an welche wir uns wenden können. Wenn all das auch
nichts nützt, werden wir wohl als nächstes im deutschen Konsulat
vorstellig. Erschwerend kommt leider hinzu, dass am Donnerstag Feiertag
ist ("Pakistan Day") und gearbeitet wird da nicht. Und am Freitag ohnehin
auch nur bis Mittag, denn der Freitag ist hier quasi wie daheim unser
Samstag. Es ist also zu befürchten... aber wir hoffen es nicht und
versuchen, alles uns mögliche in Bewegung zu setzen, um endlich echte
Fortschritte zu erzielen!
Mit den deutschen Studenten hat sich insofern
etwas ergeben, dass uns eine junge Frau, Annette Töpfer, nach Sakargah
begleiten wird und unser Team verstärkt. Hauptsächlich wird sie sich um
die weiblichen Dorfbewohner bemühen, denn gewiss hat sie mehr Zugang zu
ihnen, als unsereiner. Dies sollte sicher nicht nur ihren Studien sondern
auch uns zugute kommen - wir nehmen das Angebot zumindest erstmal dankbar
an.
PS: Gestern abend gegen 22.30 Uhr gabīs ein kleineres Nachbeben (Stärke 5,2) - die Leine, auf der wir unsere Wäsche aufgehängt haben, hat ganz schön gewackelt - sonst ist nichts dramatisches passiert.
22.03.2006 Steter Tropfen höhlt den Stein...
...und andauernde Bemühungen führen selbst bei den bürokratischsten
Behörden zum Ziel - zumindest, wenn man dann noch die entsprechenden
Beziehungen aufbauen und nutzen kann. Unsere Bemühungen der letzten Tage
beginnen nun also endlich, Früchte zu tragen. Wir werden die erste NGO
("Non Government Organization" = nichtstaatliche Organisation) sein, die
von der ERRA die Genehmigung zum Wiederaufbau eines öffentlichen Gebäudes
bekommt! Und natürlich möchte das Ministerium das auch in den Medien
entsprechend präsentieren - sicher hat das nicht unerheblich zu der ganzen
Verzögerung beigetragen - naja, was sollīs. Zumindest zeigte sich mal
wieder: ohne Beziehungen läuft überhaupt nichts - weder in Deutschland,
noch in Pakistan. Und da wir nun über die entsprechenden Beziehungen
verfügen, nutzen wir sie natürlich auch. Durch unsere Kontakte von gestern
sind wir heute bis in die oberste Ebene der ERRA vorgedrungen. Plötzlich
konnte der gesamte Vorgang umgehend bearbeitet werden und wir bekamen
endlich den ersehnten Bescheid. Colonell Zaheer, der verantwortliche
Repräsentant der ERRA, beglückwünschte uns persönlich dazu und bedankte
sich für den Einsatz des Alpinclubs und der Bergwacht in Pakistan. Zuvor
waren wir bei der zuständigen Sachbearbeiterin, die uns einige Details
mitteilte. Für die von uns geplante Schule gab es bisher noch keinen
anderen Wiederaufbauplan (was uns in dem Fall sehr entgegenkam) und das
seismische Gutachten spricht auch nicht dagegen, die Schule am geplanten
Ort zu errichten. Also werden wir am Freitag Vormittag endlich die von der
ERRA für einen erdbebensicheren (bis Stärke 8,0) Standard-Schulbau
verfassten Bauunterlagen bekommen und einen Vertrag über unsere
Aufbauleistungen unterschreiben. Außerdem wurde uns ans Herz gelegt,
möglichst auch die Betriebskosten der Schule für das erste Jahr zu
übernehmen - ein nachvollziehbarer Wunsch, dem wir natürlich gern
nachkommen, wenn unsere Spendensammlung dies hergibt. Natürlich konnten
wir dafür nicht sofort eine verbindliche Zusage machen, versichten aber,
dass wir es mit Hilfe der vielen Spender in Deutschland versuchen werden.
Und wir glauben auch ganz fest daran, dass wir dass schaffen können.
Zunächst steht jedoch erst einmal der Bau im Vordergrund!
Der Feiertag
morgen passt natürlich nicht so gut in unseren Zeitplan - also planen wir
um. Jens wird sofort morgen früh mit der deutschen Studentin Annette und
unserem treuen Helfer Jehangir als Dolmetscher nach Besham fahren, um Zeit
zu gewinnenm, während Marcus schnellstmöglich den Papierkrieg zu Ende
führen soll. Annette haben wir gestern in der Universität kennen gelernt.
Sie kommt aus Thüringen und studiert Ethnologie in Berlin. Sie war 2
Monate in Indien und ist nun in Pakistan, um ein Thema für ihre
Magisterarbeit zu suchen. Voraussichtlich eine Woche wird sie bei uns im
Camp bleiben und uns beim Übersetzen helfen sowie versuchen, Kontakte zu
den Frauen im Dorf zu knüpfen. So haben beide Seiten etwas von ihrer
Anwesenheit. Wir werden dann ab Freitag das Camp in Sakargah errichten und
möglichst vieles für den Bau vorbereiten. Marcus wird inzwischen in
Islamabad den Feiertag verbringen und am Freitag die Behördengänge
zusammen mit unseren Freunden Ashraf und Naiknam erledigen. So gewinnen
wir hoffentlich einen Tag, um von der verlorenen Zeit wieder etwas
aufzuholen.
Außerdem bekommen wir dank unserer Beharrlichkeit nun endlich
auch die per Aircargo geschickte Hilfslieferung mit gespendeten Schuhen,
Jacken und Handschuhen von GORETEX aus dem Zoll. Diese Hilfsgüter wollen
wir an die Bergbevölkerung von Sakargah verteilen, um damit die Situation
für die ärmsten der Menschen vor Ort weiter zu verbessern. Am Samstag soll
Marcus gemeinsam mit Amir dann auch in Richtung Sakargah aufbrechen -
soweit zumindest der Plan... Wir freuen uns mächtig über den sich nun
endlich einstellenden Erfolg an der Bürokratiefront, aber die wirkliche
Arbeit geht jetzt erst los!
23.03.2006 Kleine Hindernisse können uns nicht aufhalten
Während Marcus in Islamabad am heutigen Feiertag nicht all zu viel tun kann, außer letzte Vorbereitungen zu treffen, sind Annette, Jehangir, Karim und ich wie geplant nach Besham gefahren. Die lange Fahrt verlief eigentlich ganz gut, bis schließlich 18km vor Besham die Dieselleitung platzte. Nachdem der Versuch, die Leitung provisorisch zu flicken, nicht den erwünschten Erfolg zeigte, fuhren wir zu dritt das restliche kleine Stück mit dem Taxi und Karim kümmerte sich um die weitere Reparatur. Inzwischen ist auch wieder alles in Ordnung und so können wir morgen früh von Besham aus nach Sakargah aufbrechen.
24.03.2006 Islamabad: Vertragsunterzeichnung, Sakargah: unser Camp steht!
Heute war nun also endlich der große Tag gekommen, an dem alle Bürokratie
mit einer einzigen Unterschrift endlich erledigt sein sollte. Unter
Anwesenheit von Presse und Fernsehen (CNBC) wurde das so genannte
"Memorandum of Understanding" unterschrieben.
Damit ist der Bau der Schule
in Sakargah durch die ERRA freigegeben und die Bauunterlager sollen am
Montag ausgehändigt werden. Im Vertrag wurde zusätzlich zum Bau der Schule
vereinbart, dass das Projekt weiter unter den Augen der Öffentlichkeit
durchgeführt wird. In regelmäßigen Abständen wird also die pakistanische
Presse und Politiker nach Sakargah kommen und sich vom Baufortschritt
überzeugen. Zusätzlich sind wir verpflichtet, die ERRA über den
Baufortschritt zu informieren. Dies wird unser pfiffiger pakistanischer
Helfer Amir für uns übernehmen.
Da wir nun keine weitere Zeit verstreichen lassen will, fahre ich gleich
morgen mit Ashraf Aman nach Besham, damit wir so schnell wie möglich auch
auf der Baustelle Fortschritte erzielen können. Außerdem wollen wir in
Battagram Halt machen, um die Unterlagen bei der lokalen ERRA und der
Schulbehörde vorzulegen und gleichzeitig die Schulzelte für Sakargah
abzuholen. Die Bauunterlagen werden uns dann per Kurier nach Besham
hinterher gebracht.
Marcus Goldhahn - Islamabad:
Das Camp steht! Der Tag ist gut gelaufen, vor allem hat das Wetter
durchgehalten. Es gab keinen Regen, aber trotzdem reichlich Probleme. Erst
war kein Auto nach Sakargah zu bekommen: das Lager in Kund wurde als
erstes geräumt und alle verfügbaren Fahrzeuge waren mit den Habseligkeiten
der Bewohner nach Sakargah unterwegs. Wir warteten in Kund, um doch noch
ein Fahrzeug zu bekommen und haben in dieser Zeit gleich schon wieder
wichtige Kontakte geknüpft, u.a. zum Arzt des Lagers, der uns noch mit
Medikamenten und Verbandsmaterial versorgte, sowie zu einem UNICEF
Mitarbeiter, der uns versprach, sich mit Battagram in Verbindung zu
setzen, damit wir gleich die Schulzelte aus Kunt bekommen (so ist der
logistische Aufwand für uns wesentlich geringer).
Die UNHCR besichtigten auch das Lager. U.a. trafen wir eine deutsche Mitarbeiterin, die uns gern
mal in Sakargah besuchen möchte. Gegen Mittag lud uns Major Hassan (der
Chef vom Armeecamp in Besham) zu sich ein. Da er uns ein Auto besorgen
wollte, willigten wir gern ein. Wir hatten ein sehr interessantes Gespräch
und er bat uns, ihn ab und an über den Fortgang der Arbeiten zu
informieren. Außerdem sollten wir uns bei Sicherheitsproblemen an ihn
wenden. Abschließend versprach er uns umfassende Hilfe. 13.30 Uhr hatten
wir dann auch ein Auto und alles wurde schnell verladen.
Die Brücke vor
dem Dorf ist inzwischen soweit wieder repariert, dass wir das erste Mal
überhaupt bis direkt nach Sakargah fahren konnten. Dort angekommen, fanden
wir schnell einen guten und vor allem sicheren Platz für unser Camp: nicht
weit vom Wasser und nicht weit von der zukünftigen Baustelle. Unsere Zelte
waren schnell aufgebaut. Die Einwohner "unseres" Dorfes begrüßten uns
überaus freundlich und alle halfen uns bei der Elektroinstallation und den
anderen Arbeiten, denn die Sonne ging schon langsam unter.
Auch unsere
medizinische Hilfe war wieder gefragt: der erste Hausbesuch musste
erledigt werden. Dabei zeigte sich, dass Annette eine echte Bereicherung
ist, denn sie konnte mit der betroffenen Frau reden und mich somit perfekt
unterstützten. Danach wurde Annette noch ins Frauenzelt eingeladen. - eine
Sache, die ich hier wohl nie erleben werde. ;-) Sie war zumindest sehr
angetan von dem herzlichen Empfang und wird für uns auch in den nächsten
Tagen sicher eine echte Bereicherung sein.
Jens Sommerfeld - Sakargah
Fragen zu Hilfsaktion beantworten wir gern unter pakistanhilfe@gmx.de. Angaben zum Spendenkonto finden Sie hier