Erdbeben in Pakistan |
Projekt: Wiederaufbau der Grundschule von Sakargah Teil 2: 25.3. - 6.4.2006
Link zum vorangegangenen Bericht Teil 1: 12.3. - 24.3.2006Team vor Ort: Marcus Goldhahn, Jens Sommerfeldt, Annette Töpfer
25.03.2006 - Sakargah
Unser Tal ist in Wolken gehüllt. Seit dem Frühstück Dauerregen und es ist
auch wieder richtig kalt. Wir sind quasi im Camp gefesselt. Der
Schulunterricht fällt leider auch immer noch aus, denn es sind noch keine
Schulzelte da. Am frühen Abend machen wir noch einen Hausbesuch. Ein
kleines Baby nimmt seit 3 Tagen keine Nahrung mehr zu sich. Da sind unsere
medizinischen Grenzen leider weit überschritten. Wir schicken die Mutter
und den Vater mit dem Baby nach Besham. Das es sich um eine sehr arme
Familie handelt, geben wir ihnen noch 150 Rupien für den Transport mit.
Morgen früh sehr zeitig werden sie aufbrechen... Jehangir und Karim sind
uns eine große Hilfe beim Campaufbau und dessen Organisation. Ohne sie
wären auch die Verhandlungen und die medizinische Betreuung der Bewohner
Sakargahs weitaus schwieriger, da hier kaum jemand Englisch versteht. Die
Kommunikation verläuft daher von Deutsch über Englisch über Urdu oder ggf.
Paschtu (die Muttersprache der Sakargarianer) und umgekehrt...
Noch ein paar allgemeine Worte von mir und auf Bitte von Jens auch über
mich (Annette): Ich spreche zwar ein wenig Urdu, aber um medizinische
Anweisungen zu vermitteln, reicht es noch nicht aus. Ich wohne in Berlin
und studiere seit zwei Jahren Ethnologie, Politik und
Südasienwissenschaften. Seit einer Woche bin ich nun in Pakistan und ich
bin sehr beeindruckt und bewegt von allem, was ich bislang hier so erlebt
habe und von den Menschen, die ich bisher kennenglernt habe. Die besten
Begegnungen ergeben sich dabei durch Zufälle. So auch die mit Jens und
Marcus. Sie traf ich z.B. in der Quaid-i-Azam University in Islamabad, wo
sie durch die Hilfe von Dr. Azam Chaudhary, einem pakistanischen
Ethnologen, zu den örtlichen Behörden hier Kontakt aufnehmen konnten. Dies
erleichterte einiges, um die erforderliche Erlaubnis zum Bau der Schule
für Sakargah zu erhalten.
Einige Studenten meines Instituts für Ethnologie
in Berlin (und darunter eben auch ich) sind gerade dabei, eine
Zusammenarbeit mit dem Institut für Ethnologie in Islamabad auszubauen.
Aufgrund des Erdbebens im Oktober hat unser Prof. Dr. Azam Chaudhary ein
Hilfsprojekt gestartet, in dem Ethnologen einerseits als Vermittler
zwischen den verschiedenen Interessen der hiesigen Bevölkerung, der
Hilfsorganisationen und der pakistanischen Behörden auftreten sollen;
andererseits um eigene Forschungen zu den sozialen Wandlungen, die sich
aus solchen Katastrophen ergeben können, anzustellen.
Ein Schwerpunkt
unseres Berliner Instituts ist die Erforschung der südasiatischen
Kulturen. Diese beinhalten grob gesagt politische, soziale, religiöse und
andere kulturelle Strukturen und Entwicklungen dieser Region. Wir möchten
jedoch nicht nur etwas über diese Kulturen in unseren Büchern studieren,
sondern auch zu einer schweren Notsituation wie dieser eine kleine
Hilfestellung für die Leute hier geben. Studenten aus Berlin haben
deswegen unter sich ein wenig Geld gesammelt, mit dem sie Dr. Chaudhary
und seine Studenten in ihrem Hilfsprojekt unterstützen wollen. Einiges von
dem Geld soll dabei an die Erdbebenbetroffenen gehen, denen nichts oder
nur sehr wenig von den Hilfsmaßnahmen zugute gekommen ist. Das ist nur ein
Tropfen auf den heißen Stein, betrachtet man sich das Ausmaß der Schäden,
aber wir denken es ist besser als nichts.
Leider war diese Katastrophe im
Vergleich zum Tsunami sehr unterrepräsentiert in den deutschen Medien, was
vielleicht ein Grund für das insgesamt geringe Spendenaufkommen ist.
Dennoch gibt es unglaublich tolle Hilfsprojekte und engagierte Menschen,
wie die vom Alpinclub Sachsen und der Bergwacht, die es schaffen mutig und
entschlossen eine Aktion ins Leben zu rufen, die ihresgleichen sucht. Ich
bin sehr froh, Jens und Marcus kennen gelernt zu haben. Meine
augenblicklichen Erfahrungen in Sakargah helfen mir einerseits sehr bei
meinem Studium. Zum Anderen hoffe ich, dass ich durch meine Unterstützung
auch zum Projekt des Alpinclubs beitragen kann. Ich kann hier die
Kontaktaufnahme und Kommunikation zu den Frauen erleichtern, denn dies
gestaltet sich für außenstehende Männer extrem schwierig und durch einige
Kenntnisse der Sprache und Kultur scheine ich auch in einigen anderen
Organisations- und Verhandlungsgesprächen ganz nützlich zu sein. Soweit zu
mir. Ich sende viele Grüsse nach Deutschland und möchte zum Schluss
nochmal allen Spendern und Helfern dieses Projektes meine Bewunderung für
ihr Engagement aussprechen. Wirklich toll, was hier gerade geschieht!
Annette Töpfer
26.03.2006 - Sakargah
Vergangene Nacht riß der Himmel endlich auf. Die Sterne glitzerten und es
wurde ganz schön kalt. In der Ferne waren Blitze von einem Gewitter zu
sehen. Wir schliefen spät ein und am Morgen begrüßte uns wieder die Sonne.
Nach dem Frühstück besichtigen wir mit Jehangir die Baustelle. Es gibt
wirklich unheimlich viel zu tun! Unser ursprünglicher grober Zeitplan ist
durch die bürokratischen Verzögerungen inzwischen leider längst nicht mehr
zu halten. Alles wird sicher wesentlich länger dauern, aber wir werden es
schaffen!
Von oben aus sehen wir, wie sich unten im Tal ein Pick-up die
steilen Kurven hinaufquält. Es sind Ashraf, Amir und Marcus und damit ist
unser Team nun endlich auch wieder vollständig. Zunächst gibt es natürlich
viel zu erzählen. Marcus berichtet als erstes von seinen Erlebnissen in
der Hauptstadt, wir von den unsrigen hier oben. 17 Uhr findet schließlich
eine Versammlung mit dem Komitee vom Dorf statt. Nachdem die Abordnung von
Sakargah ein Gebet gesprochen hat, setzen wir uns alle auf den Boden und
stellen uns vor.
In der Welt der Paschtunen ist es äußerst
außergewöhnlich, dass eine Frau an so einem Treffen teilnimmt. Wir stellen
Annette daher als unsere Dolmetscherin vor. Diese Funktion erfüllt sie
dann auch hervorragend. Amir übersetzt vom Paschtu ins Englische und
Annette dann ins Deutsche. Sie wird auch von allen Pakistanis akzeptiert,
aber keiner der Männer hier hat ihr die Hand gegeben. Aber das ist halt
so.
Nach dem Austausch von Höflichkeiten erklären wir unser Vorhaben. Die
Abordnung wählt dann einen Verantwortlichen, der alle Probleme mit uns
gemeinsam lösen bzw. koordinieren soll. Alle versprechen, unsere
gemeinsame Aktion nach Kräften zu unterstützen. Daraufhin setzen wir uns
mit unserem neuen Ansprechpartner zusammen und besprachen die ersten
Details. Am Dienstag soll Baubeginn mit dem Abriß und der Beräumung der
restlichen Ruine sein. Morgen werden Ashraf und Marcus noch wichtige
Absprachen in Battagram führen, während Annette und ich Material und
Ausrüstung in Besham beschaffen. Der Abend endet mit interessanten
Gesprächen bei grünem Tee in unserem Zelt.
Jens Sommerfeldt
27.03.2006 - Erledigungen in Besham
Bereits um 6 Uhr morgens ist unsere Nacht zu Ende. Wir wollen alle zeitig
aufbrechen, um nach Besham zu kommen. Die Autofahrt ist wieder einmal
gruselig. Am frühen Morgen schon wieder soviel Adrenalin - da ist man
hellwach. Die "Straße" ist noch glitschig vom Vortag und das Auto rutscht
gefährlich in Richtung Tal. Ich sitze zusammen mit Annette im Fond - also
keine Möglichkeit, im Ernstfall raus zu kommen... also Augen zu und...
wieder einmal nichts passiert... Ich bewundere die alten Pick-ups und vor
allem die Fahrer. Eine echte Meisterleistung!
Nachdem wir in Besham ein
Treffen mit unserem zukünftigen Vorarbeiter haben und Details über seine
Tätigkeit sowie die Entlohnung vereinbaren, trennen wir uns. Ashraf, Amir
und Marcus machen sich auf nach Battagram um mit der ortlichen ERRA zu
sprechen und endlich die Bauunterlagen in Empfang zu nehmen. Jahangir,
Annette und ich bleiben in Besham. Wir wollen Werkzeug und noch andere
Kleinigkeiten besorgen. Außerdem haben wir einen Termin bei der UNICEF, um
nun endlich auch die Schulzeltaktion anzuschieben.
Das Einkaufen gestaltet
sich ziemlich langwierig. Da Jehangir ein begnadeter Händler ist, versucht
er die Preise wirklich bei jeder Kleinigkeit auf das absolute Mimimum zu
drücken. Wir lernen einmal mehr, dass wirklich jeder Preis in Pakistan
verhandelbar ist. Der größte Fehler ist es, beim ersten Angebot die
Brieftasche zu zücken. Aber zum Glück haben wir ja Jehangir, der nicht
lockerlässt, bis er seine Preisvorstellungen durchgesetzt hat - was
natürlich manchmal eine Weile dauern kann...
Am Nachmittag gehen wir zum
Büro von UNICEF. Wir werden sehr freundlich von den Mitarbeitern empfangen
und bekommen einen richtigen Espresso - eine Wohltat! Das Büro ist groß
und ganz modern ausgestattet. Die Mitarbeiter sind ziemlich erstaunt über
unsere bisherige Aktion und unser großes Vorhaben. Sie sichern uns aber
ihre volle Unterstützung zu und versprechen, dass wir alle 4 Zelte aus
Kunt bekommen. Außerdem wollen sie sich um die Ausstattung und
Sanitärzelte kümmern. Das kommt uns sehr entgegen, und wir hoffen dass es
auch wie abgesprochen klappt.
Als wir dann am Hotel warten, ruft Ashraf
an. Er sagt zu unserer großen Überraschung, sie sind statt in Battagram in
Manserah und wir sollen nicht auf sie warten. Na gut, dann eben nicht. Wir
sind nun sehr gespannt, was sie dort machen und wie es weitergeht
(bestimmt hängte das mit den leidigen Bauunterlagen zusammen), aber heute
werden sie ganz bestimmt nicht mehr nach Sakargah kommen. Also kehren wir
zu dritt zurück nach Sakargah und werden nun nach dem Abendessen wohl bald
in die Schlafsäcke kriechen. Der Tag war lang und anstrengend, aber morgen
beginnen dafür endlich die Abrißarbeiten...
Jens Sommerfeldt
28.03.2006 - Sakargah
Bevor ich von den Ereignissen von heute berichte, will ich noch etwas über
den gestrigen Tag schreiben. Am Morgen machten wir (Ashraf, Amir, unser
Fahrer Irfan und ich) uns auf den Weg nach Battagram, um die lokale ERRA
zu kontaktieren. Dort mußen wir das in Islamabad unterzeichnete MoU
vorlegen, um unsere Tätigkeit zu legitimieren. Außerdem hofften wir, von
der Behörde die so dringend benötigten Bauunterlagen zu erhalten. Im Camp
der Army / ERRA wurde uns zunächst mitgeteilt, dass sich der Befehlshaber,
Colonel Bashir, auf der Rückreise aus Islamabad befindet und zur Zeit in
Manserah einen Zwischenstopp einlegt.
Da Manserah von hier aus nur
anderthalb Stunden Fahrzeit entfernt liegt, beschlossen wir, Col. Bashir
am besten gleich dort aufzusuchen. Wir wurden zwar herzlich empfangen,
konnten die Unterlagen aber wieder nicht entgegennehmen. Diese werden erst
auf dem Amtsweg an die verschiedenen Stellen verteilt, was noch einige
wenige Tage in Anspruch nehmen soll. Hm, wieder mal nichts zu machen... Um
einige Einzelheiten schlauer, traten wir die Rückfahrt an und beschlossen,
die Unterlagen direkt aus Islamabad zu beziehen. Erst spät am Abend
erreichten wir Besham und verbrachten dann die Nacht gleich dort.
Am Dienstag Morgen fahren Amir und ich zeitig nach Sakargah. Dort erwartet
uns der Rest des 4. Hilfsteams mit eine Tasse heißem Kaffee. Geplant ist
für diesen Tag, die Arbeiter für den Abriss des Schulgebäudes zu
engagieren, mit ihnen einen Lohn auszuhandeln und weitere Einzelheiten des
Bauablaufes zu besprechen. Wichtig sind dabei die notwendigen
Sicherheitsvorkehrungen auf der Baustelle, denn jederzeit können
Gebäudeteile von der Ruine herabstürzen. Nach einigen Diskussionen über
den zu zahlenden Lohn treffen wir uns mit den Lehrern, einigen Arbeitern
und circa 50 Schülern vor dem Schulgebäude. Vor allen weiteren Schritten
wird eine Zeremonie durchgeführt, zu der das Beräumen des ersten Steines,
die Verteilung von Süßigkeiten und ein Gebet gehören.
Danach wird die
Diskussion mit den Arbeitern um den zu zahlenden Lohn fortgesetzt. Als
Schlusspunkt stellen wir unsere Vorstellung darüber in den Raum und
einigen uns über eine Entscheidung der Arbeiter bis zum Nachmittag. Gegen
zwei teilt man uns mit, dass es keine Arbeiter gibt, welche sich für den
veranschlagten Lohn engagieren lassen. Dem Verhandlungsgeschick und der
Ruhe unseres Guides Amir ist es zu verdanken, dass sich bis zum zeitigen
Abend dann aber doch immer mehr Arbeiter persönlich bei uns vorstellen und
am Morgen die Arbeit an der Schule aufnehmen werden. Den Tag beschließen
wir wieder mit einer Tasse grünen Tee im Schein der Gaslaterne in unserem
Mannschaftszelt...
Marcus Goldhahn
29.03.2006 - Feierlicher Baubeginn
Heute morgen, kurz nach dem ersten Augenblinzeln, gibt es für "Onkel Dr.
Sommerfeldt" scbon den ersten Einsatz. Ein Mädchen aus dem Dorf hat sich
stark mit heißem Wasser verbrüht. Die Wunde muss schnell versorgt und die
Patientin ins Krankenhaus nach Bescham geschickt werden. Währenddessen
warten schon die ersten Arbeiter vor unserem Zelt.
Seitdem sich gestern
nachmittag die ersten Freiwilligen gemeldet haben, kommen nun immer mehr.
Insgesamt haben wir nun elf Bauarbeiter und sind dabei sehr sehr zufrieden
mit dem heutigen Baufortschritt. Alle anwesenden packen an, wo es nur geht
und am abend ist schon die Hälfte der alten Schulruine niedergerissen und
der dazugehörige Schutt beiseite geschafft. Die Leute arbeiten schnell und
hart und wenn das so weitergeht, wird der komplette Abriß in wenigen Tagen
erledigt sein. Jehangir entpuppt sich während des ganzen Arbeitseinsatzes
als hervorragender Vorarbeiter und Marcus leitet fachmännisch den Abbruch,
so dass niemand unter dem stark beschädigten Gebäude zu Schaden kommt -
Sicherheit ist oberstes Gebot!
Die Sonne brennt während der Mittagszeit
und in dieser Höhe ziemlich stark, weshalb Marcus sich im Arbeitseifer
aber auch einen leichten Sonnenbrand eingefangen hat. Nachmittags erhalten
wir denn noch überraschenden Besuch: zwei Offiziere des Militärcamps in
unserer Nachbarschaft wollen uns zum Abendessen einladen, was wir dankend
annehmen. Der Abend gestaltet sich dann sogar überraschend lustig. Wir
waren eher auf einen erstes und formelleres Zusammentreffen vorbereitet,
da dem Militär hier in der Regel einiges an Respekt entgegen gebracht
wird, aber nach einer fleischigen Mahlzeit (was bei uns zur Zeit eher eine
Rarität ist) lachen und erzählen wir, bis es höchste Zeit ist, den Rückweg
in unser eigenes Camp anzutreten. Wichtigstes Ergebnis des Abends: "Dr.
Sommerfeldt" ist nun auch offiziell der Onkel des pakistanischen Militärs.
;-) Marcus und ich haben morgen leider schon unseren letzten Tag in
Sakargah und bis zu unserer Rückreise nach Islamabad gibt´s noch viel zu
erledigen. Jeder Tag hier bringt auch viel Unvorhergesehenes, und so sind
wir jetzt schon gespannt auf morgen.
Annette Töpfer
30.03.2006 - Sakargah
Für Marcus und Annette neigt sich der letzte Tag in Sakargah dem Ende zu -
Anlaß für eine kurze Zusammenfassung: Für Marcus war es der erste
Aufenthalt in Pakistan und er hat seine Sache hervoragend gemacht. Wir
alle hatten uns das ja schon etwas anders vorgestellt, denn als
Bauingenieur sollte er auf der eigentlich mehr auf der Baustelle als in
Ministerien und Amtsstuben seine Fähigkeiten einbringen.
Daraus wurden nun leider nur 3 Tage auf dem Bau, aber die Erfolge an der Behördenfront sind
natürlich auch wichtig - und beides hat er super gemeistert! Wichtigstes
Ergebnis: die alte Schulruine ist weg!!! Marcus´ Beharrlichkeit und sein
Durchsetzungsvermögen bei der Beschaffung der Genehmigungen haben es dabei
erst möglich gemacht, daß wir - zwar mit Verspätung - überhaupt anfangen
konnten. Und natürlich war es neben all der Arbeit vor allem auch wichtig,
dass wir gut miteinander harmonierten - gerade hier in so mancher
Ausnahmesituation...
Auch Annette wird uns morgen verlassen. Der Zufall
hat sie zu unserem Team geführt und sie war nicht nur eine Bereicherung,
sondern so manche Aktion wäre ohne sie für uns viel schlechter gelaufen.
Ihre Sprachkenntnisse und ihre Menschenkenntnisse in den südasiatischen
Kulturen verbesserten unsere Verhandlungssituation oft erheblich. Nicht
zuletzt machten wir uns manchmal auch einfach ein paar mehr Gedanken über
das Land und die Menschen und versuchten, einfach unsere eigenen Maßstäbe
zur Seite zu schieben und ein bisschen so zu denken wie die Einheimischen.
Auch bei der Planung und Durchführung des Wiederaufbaus brachte sie viele
eigene und hilfreiche Ideen ein. Es ist natürlich sehr schade, dass die
zwei mich morgen verlassen werden. Bis zum nächsten Donnerstag werd ich
nun mit unseren pakistanischen Helfern die Arbeiten weiterführen, ehe mit
Michael und Peter das nächste Team eintrifft. Der bisherige Fortschritt
auf der Baustelle ist gemessen an der kurzen Zeit, die wir überhaupt erst
Hand anlegen konnten, sehr gut und wir denken, dass Micha schon bald mit
der Grundsteinlegung beginnen kann...
Der heutige Tag war natürlich
geprägt durch die harte Arbeit an der Schulruine. Helle Aufregung brachte
allerdings eine "wilde Schießerei" in Sakargah: schon kurz nach dem Mittag
hörte ich Schüsse am entfernten Berghang. Dabei dachten wir uns zunächst
nichts weiter, denn die Menschen jagen natürlich auch in diesem Gebiet.
Doch die Schüsse kamen immer näher. Bewaffnete Männer aus dem Dorf kamen
von oben den Hang herunter gerannt und immer wieder hörten wir Schüsse.
Erst jetzt bemerkten wir die Ursache: ein großer, scheinbar wilder Hund
lief an uns vorbei in Richtung Brücke. Auch dort kamen Männer aus den
Zelten mit Gewehren. Wieder viele Schüsse und endlich hatten sie das Tier
erlegt. Später erfuhren wir, dass der Hund die Ziegen angefallen hatte und
wir verstanden, wie wichtig es für die Dorfbewohner war, dass er
erschossen wurde. Alle Männer des Dorfes arbeiteten dabei zusammen und zum
Ende gab es so etwas wie ein kleines Fest. Der Mann, der den finalen Schuß
mit seiner Kalaschnikow gesetzt hatte, wurde gefeiert - andere Länder,
andere Sitten... Vielleicht versteht man jetzt besser, wie schwierig es
manchmal ist, mit der Denkweise der Leute hier vor Ort und unseren
europäischen Vorstellungen gemeinsam an einem Projekt zu arbeiten! Heute
abend werden wir nun nur noch ein paar Sachen für unsere weiteren Baupläne
absprechen und dann geht´s in die Schlafsäcke...
Jens Sommerfeldt
31.03.2006 - Jens hält allein die Stellung
Heute passiert nichts großartiges. Auf der Baustelle wird natürlich
fleißig weiter Schutt beseitigt und geräumt - bald werden wir die Ruine
der alten Schule komplett beseitigt haben. Die Arbeit geht also gut voran.
Wenn wir nur erst die Bauunterlagen von der ERRA hätten... Außerdem warten
wir natürlich auch auf das Cargo mit den Hilfsgütern der Firma GORE,
welches Amir von Islamabad aus mit hochbringen soll. Die Schuhe und
Wetterjacken könnten wir hier gut gebrauchen, aber wir müssen uns wohl
noch etwas gedulden...
Noch ein kleiner Nachtrag auch zu der Schießerei und dem Hund: ein
Einheimischer klärte uns im Nachgang nochmal richtig auf: es war ein
"verrückter" Hund, also ein Tier, das sich anormal verhielt. Er hat 4
Menschen angefallen und verletzt und das lässt hier nur einen Schluß zu:
Tollwut! Aus den Erfahrungen heraus sind die Verletzten sofort nach Besham
hinunter zum Impfen gefahren. Hier oben kommt Tollwut wohl leider recht
häufig vor und ist für die Leute eine schlimme Sache. Der Impfstoff kostet
1.500 Rupien und ohne die schnelle Impfung ist eine Infektion der sichere
Tod. Aus diesem Grund sind auch alle Dorfbewohner hinterher, ein
auffälliges Tier umgehend zu töten. Dies klingt zwar grausam, aber ist mit
Sicherheit der richtige Umgang damit.
Jens Sommerfeldt
01.04.2006 - Mal wieder Erste-Hilfe-Einsatz
Obwohl Freitag eigentlich Feiertag ist, arbeiten unsere 11 Leute 7 Tage
die Woche. Natürlich ist das für alle von Vorteil: sie verdienen mehr Geld
und wir kommen gut voran. Zur Abwechslung bekam ich heute auch mal wieder
was medizinisches zu tun: ein älterer Mann kam mit einer Handverletzung.
Diese war zwar schon mal genäht worden, aber die gesamte Wunde ist total
infiziert und beim Abnehmen des Verbandes hängen die alten eitrigen
Hautfetzen daran. Ich konnte es mit den eingeschränkten Mitteln nur
reinigen, desinfizieren und neu verbinden und ihn umgehend ins Hospital
schicken - auf großartige medizinisceh Versorgung sind wir hier jetzt
nicht mehr eingestellt. Der nächste Fall war ein junger Mann mit einem
sauberen Schnitt durch den Daumen. Leider war auch der Knochen mit durch
und die Fingerkuppe hing nur noch an ein wenig Haut. Verständlicherweise
hatte er große Schmerzen, doch da die Wunde frisch war, konnte ich ihn gut
verbinden und schienen. Auch ihn schickte ich jedoch umgehend nach Besham
in der Hoffnung, dass die Kubaner dort einen guten Chirurgen haben, der
den Finger retten kann... Gegen abend zieht nun schon wieder ein Gewitter
auf, also heißt es ab ins Bett, denn um 7 Uhr beginnt der neue
Arbeitstag...
Jens Sommerfeldt
02.04.2006 - Lohn- & Waschtag
Heute war den ganzen Tag super Wetter und so habe ich neben dem normalen Baufortschritt einen Waschtag eingelegt: Ganzkörperwäsche im Bach und anschließend Wäschewaschen mit der "Handwaschmaschine" (Schüssel + Seife). Heute haben wir den Arbeitern auch den ersten Lohn ausgezahlt: 1.000 Rupien für 5 Tage harter Arbeit. Das ist eigentlich verdammt wenig, aber wir dürfen die ortsüblichen Preise nicht so sehr überbieten, sonst hat keiner mehr Lust, woanders zu arbeiten. Jehangir entpuppt sich dabei als ziemlich strenger Aufseher und ist eine unersetzliche Hilfe... Die Reste der alten Schule sind inzwischen soweit fast abgeräumt. Zwei Arbeiter haben bereits begonnen, im Bach Kies zu schürfen. Morgen beginnen wir dann damit, das Material nach oben zum Bauplatz zu transportieren. Jens Sommerfeldt
03.04.2006 - Kiesproduktion läuft auf Hochtouren
Die Arbeiten gehen weiter voran. Die Baustelle ist nun komplett beräumt,
also widmen wir uns nun komplett der Kiesproduktion. Der Kies für den
reichlich benötigten Beton kommt direkt aus dem Dorfbach: gutes Material
nach einer uralten Methode. Das Wasser wird an bestimmten Stellen
angestaut und dann der Kies geschürft. Das kostet nur die Lohnkosten und
natürlich eine Menge Schweiß, denn die Arbeiter müssen jedes Kilo mühsam
zur Baustelle schleppen - ca. 50 Höhenmeter auf einem sehr steilen und
steinigen Weg! Sie füllen den Kies in Säcke und tragen so ca. 40- 50kg (!)
auf den Schultern nach oben - und das 8 Stunden am Tag! Eine wirkliche
Leistung! Ansonsten geht es leider nicht so voran wie erhofft: Die
Bauunterlagen sind nicht da, Amir ist nicht da, das Cargo ist nicht da.
Wieder einmal muß ich mich dazu zwingen, mich in der typisch asiatischen
Geduld zu üben. Ich habe zwar heute noch mal mit Ashraf in Islamabad
telefoniert, aber es hilft nichts: ich muß wohl sicher eher als geplant
nach Islamabad zurück, um die Sache zu beschleunigen. Also werde ich wohl
morgen oder spätestens Mittwoch früh Sakargah verlassen. Die Probleme
werden leider nicht kleiner, aber wir sind nun mal die ersten, die in
Pakistan eine neue Schule nach dem Erdbeben bauen und entsprechend mühsam
ist es, den Weg dafür zu bahnen.
Jens Sommerfeldt
04.04.2006 - Unsere Hilfsgüter sind endlich da
Mein letzter Tag in Sakargah hatte gleich mehrere Höhepunkte: gegen Mittag
traf endlich Amir mit den Hilfsgütern von GORETEX ein (leider aber immer
noch ohne die Bauunterlagen). Dann folgten noch 2 kleine Nachbeben im
Abstand von nur 5 Minuten - aber zum Glück nichts Dramatisches. Der
krönende Abschluß war dann aber das Abendessen: alle gaben sich Mühe, mir
den Abschied so schwer wie möglich zu machen. Es gab Hühnersuppe
(natürlich nicht aus der Tüte!), Pommes Frites und gebratenes Hünchen. Auf
mein Bitten hin wurde das Federvieh diesmal auch nicht in 20 kleine Stücke
zerhackt - ich konnte also eine richtige Keule essen - köstlich! Ein
gelungenes Abschiedsessen, was mir Jehangir und Karim bereitet haben! Wir
sind hier in den Bergen des Himalaya zu echten Freunden geworden und der
Abschied vonoihnen fällt mir schon schwer, aber vielleicht komme ich ja
schon bald wieder zurück... Natürlich wurde auch heute fleißig gearbeitet.
Die Kiesproduktion und der Transport zur Baustelle nehmen einige Zeit in
Anspruch. Außerdem haben wir die ersten Schuhe und Jacken der
Hilfslieferung von GORETEX an unsere Arbeiter ausgegeben. Anschließend
haben wir auch gleich noch die Kinderschuhe verteilt - große Freude bei
den Kindern von Sakargah!!! Morgen geht es dann für mich zurück nach
Islamabad...
Jens Sommerfeldt
05./06.04.2006 - Endlich! Die Baupläne sind da!
Nun bin ich doch schon wieder eher als geplant in Islamabad. Die Rückfahrt
machte ein wenig Probleme, da wir in Sakargah nicht gleich ein Auto
bekamen. So fuhren wir dann erst nach 10 Uhr weg. Wie immer war ich froh,
heil unten in Besham angekommen zu sein. Ich stand diesmal während der
Fahrt hinten auf dem Trittbrett des Pick-up und staubte total ein.
Spaßeshalber zählte ich mal durch: es waren 34 Passagiere + Fahrer +
Gepäck... ;-)
Die Weiterfahrt mit dem Bus verlief dann ohne Probleme. Nur
die Hitze machte mir zu schaffen. Um 7 waren wir endlich in der
Hauptstadt. Annette wartete schon auf mich, und ich konnte ihre Hilfe auch
gut am nächsten Tag im Premierministerium gebrauchen... Die Bürokratie
funktionierte dann sogar erstaunlich gut, denn schon am nächsten Tag
mittags hielt ich die Baupläne in den Händen. Wobei "Baupläne" doch ein
sehr dehnbarer Begriff ist, denn die Planungen der ERRA sind sehr
allgemein gehalten und für den richtigen Bau wird nun doch eine
detaillierte und selbst erarbeitete Bauvorlage von uns gefordert. Außerdem
werden neue vor dem endgültigen Wiederaufbau noch einmal neue
seismologische Gutachten angefertigt (so soll zum Beispiel auch die Stadt
Balakot komplett an einem anderen Ort wiedererbaut werden, da Sie jetzt
genau an den Schnittlinien der tektonischen Platten liegt und bei einem
erneuten Beben wohl wieder total zerstört werden würde.
Also mußte ich der
ERRA noch schnell die Schulkoordinaten zuarbeiten. So schnell wie möglich
wird die Behörde dann den Baustandort vor Ort nochmals mit Hilfe von
Experten begutachten und wir werden dann in Deutschland die richtigen
Baupläne nach den Vorlagen erarbeiten. In der Zwischenzeit wird die
Materialbeschaffung und Bauvorbereitung von Michael und Peter fortgesetzt,
die morgen früh in Islamabad ankommen sollen...
Jens Sommerfeldt
Fragen zu Hilfsaktion beantworten wir gern unter pakistanhilfe@gmx.de. Angaben zum Spendenkonto finden Sie hier