Expeditionsbericht Dofana Peak 2007

Es ist heiß! Schon der kurze Anstieg aus dem klimatisierten Kleinbus heraus zur schattigen Teestube am Karakorum- Highway raubt uns jede Lebensfreude. Schnell in die Berge! In die kühlen Höhen!
Doch auch einen Tag und 500 Kilometer später zögern unsere Träger verständlicher Weise beim Losgehen, denn von den lieblichen Almen des Dichl-Tales, wo wir unser Basislager aufschlagen wollen, trennt uns ein 800m hoher Geröllhang mit praller Nachmittagssonne. Bis auf dieses Hangmonster ist der Weg zum wunderschönen Basislagerplatz eine entspannte Anderthalbtageswanderung.
Der erste Anblick unseres Berges ist atemberaubend. Durch aufreißende Wolkenfelder kommen im Abendlicht immer höhere und steilere Flanken und Wände zum Vorschein, bis schließlich der Gipfel über dem Tal thront. Dort wollen wir hoch!?
RouteHerausgefordert und eingeschüchtert zugleich richten wir das Basislager ein. Welches ist nun die logischste und einfachste Linie auf diesen Berg? Nachdem wir von der ersten 3-tägigen Akklimatisationstour auf den ebenfalls unbestiegenen Nachbarberg Lolo Tono ("Roter Funke", 5435m) ins Basislager zurückgekehrt sind, bleiben keine Zweifel. In der Südwestseite des Dofana zieht eine steile Eisrinne vom Gipfel in elegantem Schwung hinab zu einem Schneesattel und weiter ins Tal. Der Zustieg zur Schulter führt über blanke Eishänge zwischen Seracs hindurch, hier wird Schnelligkeit gefragt sein.
Aufstieg zum CampWir packen ein Minimum an Ausrüstung und Essen für fünf Tage zusammen und marschieren am Abend 500 Höhenmeter ins "Agro-Camp" hinauf. Hier hatten wir nach Vorbild der einheimischen Bauern die abschüssige Wiese mit unseren Eisgeräten in einen Zeltplatz umgearbeitet. Von dort aus geht es am frühen Morgen in leichter Schrofenkletterei auf den Gletscher. Als wir mittags am Schneesattel auf 5200m unterhalb der Eisrinne ankommen, schmerzen die Waden vom Stehen auf Frontalzacken mit 25 Kilo- Rucksäcken. Auch hier müssen wir uns unseren Zeltplatz erst erschaufeln. Im aufgeweichten Schnee geht das aber immerhin besser, als in der Erde unten im Agro-Camp. Die Köpfe drücken. Weniger von der Höhe als von der erbarmungslos brennenden Sonne. Selbst oberhalb 5000m kann es heiß sein!
Rinne zum GipfelUm drei Uhr morgens beendet der Wecker die kurze Nacht. In der Dämmerung steigen wir 200 m über den 45° steilen Gletscher zum Beginn der Rinne. So hoch ist keine Expedition vor uns gekommen. Wir seilen uns an und klettern in zwei Dreierseilschaften parallel durch die 55° steile Blankeisrinne. Gesichert wird an soliden Eisschrauben.
Gegen 10:30 Uhr erreichen wir den 5900 m hohen Sattel zwischen den zwei scheinbar gleichhohen Hauptgipfeln des Dofana. Welcher ist nun der Höhere? Glücklicherweise der einfachere von beiden, der Nordgipfel. Fast zeitgleich steigen wir sechs auf die Gipfelwächte und was uns hier erwartet ist ein wahrer Traum: Neben dem Nanga Parbat im Süden, den wir schon seit Tagen im Blickfeld haben, liegt nun fast das komplette Karakorum vor uns. Es grüßen die Giganten K2, Broad Peak und Gasherbrum, Diran-Peak, der Haramosh, der Rakaposhi. Und dazwischen hunderte weitere Gipfel. Die Fotoapparate klacken, die Videokamera läuft und die Sonne scheint.
Nun aber nichts wie runter, es drohen von Süden schon dunkle Wolken, die Gewitter erahnen lassen. Abseilen an Eissanduhren, Köpfelschlingen und Normalhaken bringt uns wieder in flacheres Gelände und bald zum Hochlager. Den nächsten Tag verbringen wir mit dem Abstieg ins Basislager und dem Verspeisen der Ziege, die unser Koch zu Ehren der Erstbesteigung geschlachtet hat.

Nun ist der Dofana-Peak bestiegen, das war aber nur ein Teil unseres Plans. Immer noch lockt der Pfeiler auf den Südgipfel, der uns schon auf den Luftbildern als die markanteste Linie am Berg aufgefallen war. Doch der Zustieg zu dem 500m hohen, senkrechten Felspfeiler ist alles andere als einladend: Ein 1200 m hohes Gewirr aus Eisrinnen, aus denen es am Nachmittag immer wieder kräftig poltert, durchsetzt mit einigen felsigen Steilstufen. Nur Christian und Paul haben daran Interesse.
Trotz sehr zeitigen Starts pfeifen bereits unterhalb des geplanten Biwaks am Beginn des Pfeilers Steingeschosse an ihnen vorbei. Sie hetzen zu einem kleinen Grat, wo sie sich sicher glauben.
Nach etwas Arbeit steht dort das Zelt etwas windschief über dem Abgrund. Der Pfeiler ragt direkt darüber in den Himmel. Der Schneefall am Nachmittag kann die Laune nicht verderben.
SW-PfeilerAm nächsten Morgen ist das Wetter wieder gut. Sie warten bis die Sonne den Schnee von den Felsen brutzelt. Über den ersten Aufschwung steigen sie drei Seillängen an herrlichen überhängenden Hangelrippen empor, die Steilheit und die Höhe zehren an der Kondition. Hinter ihren Rücken pfeifen nun aber schon im Sekundentakt Steine aus der Gipfelwand im freien Fall. Jetzt müssten sie raus aus dem Überhang, in die schönen, festen Granitplatten. Diese liegen aber direkt in der Schusslinie, ein Treffer wäre unvermeidlich. Die Vernunft siegt - sie seilen bis zum Zelt ab. Es ist halt doch zu warm.
Die Sonne geht quälend langsam unter und macht dem ersehnten Frost und damit der Stille am Berg Platz. Den Abstieg bringen sie ganz früh am nächsten Tag hinter sich, so dass sie zum späten Frühstück frische Brotfladen im Basislager serviert bekommen.
Natürlich rundete unsere Expedition ein umfangreiches Kulturprogramm ab. Zuerst ein Pflichtbesuch bei Ihrer Majestät der Rupalflanke. Daraufhin die Grundsteinlegung für die Mittelschule von Sakargah, die nach dem Erdbeben von 2004 durch das Engagement des Alpinclubs Sachsen neu aufgebaut wird. Schließlich dann der leichte Abschied von der Hitze des pakistanischen Sommers.


Einen kompletten Bericht mit weiteren Infos, Fotos und Kartenausschnitten können Sie hier als PDF herunterladen (4.4MB).