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Sächsische Karambar Expedition 1998

West-Karakorum Pakistan: Erstbesteigung von
Kutshkulin Sar 5960m, Sax Sar 5999m, Yeti Sar 5980m

Expeditionsmannschaft

Dieter Rülker, Frank Polte, Jörg Ehrlich und Markus Walter


Expeditionsverlauf
vlnr: Frank, Makus, Jörg, DieterNach Gipfelsiegen an den berühmten 8000ern, schwierigsten alpinen Klettertouren in den Alpen, dem Kaukasus und Grönland sowie zahlreichen Expeditionen an den 7000ern der ehemaligen Sowjetunion, nach Alaska und Südamerika stellten sich die 4 Dresdner Bergsteiger einer völlig neuen Herausforderung: unterwegs in einem kaum erforschten Berggebiet in der Nähe der pakistanisch-afghanischen Grenze gelang ihnen die Erstbesteigung von drei bisher völlig unbekannten Bergen im westlichen Karakorum.

Markus Walter berichtet:

In die Hochgebirge Asiens zieht es die Reisenden und Bergsteiger Europas bereits seit vielen hundert Jahren. Angefangen hat die Erkundung von Himalaya, Karakorum und Hindukusch bereits mit den Reisen Marco Polos im 13. Jahrhundert. Berühmte Forscher wie Sven Hedin und Sir George Everest, später dann vor allem Bergsteiger wie Albert Mummery, Hermann Buhl oder Reinhold Messner sorgten dafür, daß das Land der hohen Berge inzwischen fast bis in den letzten Winkel erforscht ist, die meisten Gipfel bestiegen sind und Fotos, Landkarten, Bildbände und Trekking-Reiseführer die Region des ewigen Eises dem Alpinisten und Trekking-Reisenden schnell und einfach zugänglich machen.
All die berühmten 8000er-Gipfel wurden inzwischen mehrere hundert Male bestiegen, auf dem höchsten Gipfel der Welt stand im Mai diesen Jahres als Nummer 1042 der erste beinamputierte Amerikaner und unter dem Stichwort „Everest" finden sich mittlerweile im Internet mehr Informationen und websites, als man in einem Monat lesen kann... Das Ende des Bergsteigens als Abenteuersport? Keineswegs! Denn nach wie vor existieren einige „weiße Flecke" auf der Weltkarte, kaum besuchte einsame Berggebiete fern der überlaufenen Modeziele und zahlreiche unbestiegene Berge...
Die Idee, in ein solches Gebiet zu fahren, entstand unmittelbar nach der Rückkehr der „Sächsischen Himalaya-Trilogie 1997". Monatelange Recherchen in Bibliotheken, alten Zeitschriften, Bergbüchern und Himalaya-Chroniken folgten, ehe das endgültige Ziel feststand: im Gebiet des Karambar-Gletschers im westlichsten Zipfel des pakistanischen Karakorums würden wir nach Japanern (1975/76) sowie Deutschen und Österreichern (1976/77) erst die fünfte Expedition sein...
Expeditionen und Bergbesteigungen in den Hochgebirgen Asiens waren uns allen nichts Neues, und so nahmen Material- und Ausrüstungsbeschaffung sowie die gesamte Organisation unserer kleinen 4-Mann-Expedition nur wenige freie Nachmittage in Anspruch - ein wohltuender Gegensatz zum Mammutprogramm vor und nach den teuren und aufwendigen 8000er-Expeditionen der vergangenen Jahre.

Es geht los...

Pferdekarren im RawalpindiAuch die Anreise über London, Islamabad und Rawalpindi bis nach Gilgit war bereits Routine, und so erreichten wir bereits am 6. Tag nach unserem Start in Dresden das Ende der befahrbaren Jeep-Piste im Ishkoman-Tal - reichlich 10 off-road-Fahrstunden von Gilgit und damit ausreichend weit von der Zivilisation entfernt, um die Gegend in den letzten 20 Jahren fast völlig touristenfrei zu halten.
Träger beim Aufstieg zur Karambar-Alm8 Gehstunden und 1400 Höhenmeter weiter erreichten wir am nächsten Tag die 3300m hoch gelegene Karambar-Alm. Grüne Wiesen, knorrige, uralte Bäume und ein klarer Gebirgsbach machen diesen Ort zu einer idyllischen Oase inmitten der unnahbaren Eis- und Steinwüsten der umliegenden Berge.Von hier aus wollten wir in 4 Wochen die Seitentäler des riesigen Karambar-Gletschers erkunden und den einen oder anderen der umstehenden Gipfel versuchen. Zunächst jedoch verdammte uns anhaltendes Schlechtwetter zu untätigem Warten in unserem kleinen Basislager.
Als wir nach mehr als einer Woche die Berge, die wir besteigen wolleen, noch nicht ein einziges Mal zu Gesicht bekommen haben, waren wir doch etwas frustriert und beschlossen, trotz Nebel, Regen und Neuschnee einen Erkundungsvorstoß zu unternehmen.
Aufbau Lager 2Das Glück des Tüchtigen bescherte uns nach einem anstrengenden Marschtag im Regen dann auch besseres Wetter, und damit Einblick in mögliche Aufstiegsrouten. Schnell entschieden wir uns für einen Gipfelversuch an einem markanten, eisüberwallten Gipfel östlich des kleinen Kutshkulin-Gletschers. Mit der Errichtung von 2 Zwischenlagern auf 4300 bzw. 4950m Höhe und der Erkundung einer Route durch die komplizierten Eisbrüche des Kutshkulin-Gletschers vergingen nochmals 10 volle Tage, ehe wir endlich zum Gipfelsturm ansetzen konnten.
Nach 2 unangenehmen und eiskalten Stunden Schneeschmelzen und Kochen im engen Hochlagerzelt brachen wir gegen 2 Uhr morgens im schwachen Licht der Stirnlampen auf in Richtung Gipfel. Aufstieg durch die 700m NW-Flanke des Kutshkulin SarZügig kamen wir in der riesigen Eisflanke höher, und gegen 8 Uhr traten wir auf dem etwa 5600m hoch gelegenen Sattel ins gleißende Sonnenlicht des anbrecheenden Tages. Obwohl der Gipfel von hier aus nicht mehr weit war, forderten unerwartete Hindernisse noch einmal alles.
Nachdem noch beim Durchwaten der riesigen Sattelmulde im knietiefen Schnee die Sonne unbarmherzig vom strahlendblauen Himmel gebrannt hatte, hüllten uns beim Einstieg in die steile Gipfeleiswand schnell Nebel und Wolken ein. Extrem ungünstige Eisverhältnisse erlaubten in der steilen Gipfelwand kaum Sicherung und so benötigten wir im inzwischen aufkommenden Sturm noch einmal volle 4 Stunden bis zum höchsten Punkt.
Auf dem Gipfel des Kutshkulin Sar 5880m Riesig dann die Freude und unbeschreiblich das Gefühl, als erste Menschen auf "unserem" Gipfel zu stehen. Die Höhenmesser zeigten etwa 5880m, doch das war uns in diesem Moment völlig egal... Beim Abstieg verschlechterte sich das Wetter weiter und machte das stundenlange Abseilen und Absteigen durch die Eiswand zum Härtetest. 4 Seillängen über dem Einstieg kamen wir trotz unermüdlichen Tempomachens dann doch noch in die Dunkelheit.
Nachdem auch der Bergschrund im Schein der immer schwächer werdenden Stirnlampen überwunden war, standen wir bei 20m Sichtweite mitten im dichten Schneetreiben auf dem Gletscherplateau und tasteten uns vorsichtig durch die Spaltenzonen zurück zu unseren Zelten. Nach 20 Stunden fast ununterbrochenen Steigens sanken wir dann ziemlich geschafft in unsere Zelte. Jörg kochte schnell noch Tee für unsere ausgetrockneten Kehlen, doch noch bevor ich aus der Thermosflasche auch nur einen Schluck trinken konnte, war ich vor Übermüdung bereits eingeschlafen...
Als ich am nächsten Morgen - noch mit der Flasche in der Hand - aufwachte, tobte draußen noch immer der Schneesturm, der sich erst im Laufe des Tages soweit legte, daß wir fluchtartig zur Karambar-Alm absteigen konnten.
Strömender Regen und reichlich Neuschnee bremsten eine ganze Woche lang alle weiteren Aktivitäten. Vom Gipfel des von uns erstbestiegenen "Kutshkulin Sar" aus hatten wir noch 2 weitere logische Anstiegsmöglichkeiten auf umstehende Berge entdeckt, doch langsam lief uns dafür die Zeit davon. Als sich das Wetter noch immer nicht besserte, beschlossen wir, trotzdem zumindest bis ins Hochlager aufzusteigen, und sei es nur, um unser restliches Material und die Zelte zu bergen.
2 Tage später dann auf 4950m der unumstößliche Entschluß: "Wenn morgen früh kein einigermaßen annehmbares Wetter ist, steigen wir ab!". Als der Blick aus dem Zelt dann 2 Uhr früh einen völlig sternklaren Himmel zeigte, gab es kein Zögern mehr.
Aufstieg am Sax Sar3 Stunden später erlebten wir - schon hoch oben über unseren beiden kleinen Biwakzelten auf dem zerrissenen Gletscher - einen traumhaften Tagesanbruch über dem schier endlosen Gipfelmeer des Karakorums. Eisige Temperaturen bescherten uns allen kalte Füße, und so forcierten wir das Tempo, um den Kreislauf auf Hochtouren zu bringen.
9 Uhr standen wir schon hoch oben auf der Gipfelschulter und nahmen das letzte steile Stück in Angriff. Sax Sar - 5999mDer Gipfel besteht aus einer gigantischen Wächte, und den höchsten Punkt betraten wir nur einzeln nacheinander mit sorgfältiger Seilsicherung von weiter unten. Etwa 10m unterhalb der Wächtenkrone hielten wir dann dafür um so ausgiebiger Gipfelrast. Die Fernsicht reichte über Wakhan-Korridor und Hindukusch hinweg bis hin zu den Gipfeln des Hohen Pamir...

„Unseren" Berg tauften wir stolz auf "Sax Sar", was in der Sprache der Almbewohner "Sachsenspitze" heißt. Da unsere Genehmigung nur für Berge bis 6000m Höhe galt, legten wir seine Höhe einstimmig auf 5999m fest, auch wenn die Höhenmesser ein ganzes Stückchen mehr anzeigten...

Sax Sar Abbau vom Camp 2 Auf dem Abstieg begutachteten wir eine schmale Eisflanke des gegenüberliegenden Gipfels. Eigentlich war unsere Zeit nun abgelaufen, doch Dieter und ich waren im Gipfelfieber. Wenn das Wetter hielte, wollten wir am darauffolgenden Morgen noch einen "last-minute-Versuch" wagen, während Ehrli und Frank schon ins Basislager absteigen wollten, um den Rücktransport zu organisieren. Ehrlich gesagt waren wir vom gestrigen Gipfel noch ganz schön geschafft, als wir in aller Frühe erneut in voller Montur aus dem engen Zelt krochen, doch das unverändert gute Wetter mußten wir nutzen, und die Bewegung in der Eiseskälte eines Morgens auf über 5000m machte uns rasch munter.
Die Eiswand ist kaum über 50° steil, und so konnten wir trotz schlechter Verhältnisse alles gleichzeitig gehen. Nach 4 Stunden Kletterei standen wir auf dem "Yeti Sar" in etwa 5960m Höhe - wieder einmal belohnt von einem phantastischen Rundblick zwischen Nanga Parbat und Muztagh Ata und wieder einmal als erste Menschen überhaupt.
Beim Abstieg durch die Wand heizte uns die Sonne mächtig ein und so waren wir froh, als wir am zeitigen Nachmittag unser Hochlager wieder erreichten. Noch am selben Abend stiegen wir mit allem Gepäck ab bis auf 4300m und am nächsten Tag hinunter bis ins Basislager. Strömender Regen machte uns am 31. August den Abschied von der so vertraut gewordenen Alm leichter, und so wanderten wir gutgelaunt zurück in Richtung Zivilisation.
Brücke im Deosai-Plateau 10 Tage verbrachten wir noch in Pakistan und genossen den Ausklang unserer Tour auf erholsame Weise mit Besichtigungen von Gilgit und Karimabad, dem Sitz des Mir von Hunza, der Durchquerung des Nationalparks Deosai und einem Besuch bei unserem Freund Jehangir in Tarshing am Fuße des Nanga Parbat.






Nachtrag



Nach unserer Erstbesteigung 1998 sind im Jahre 1999 Bergsteiger einer gemischten amerikanisch, englisch, neuseeländischen Expedition im Gebiet des Karambar klettern gewesen. Ziel dieser Gruppe war es, in diesem Gebiet einige Berge zu erkunden und zu besteigen. Der Alpinclub Sachsen Kontakt hat Kontakt zu Expeditionsmitgliedern dieser Unternehmung. Im Rahmen der Aktionen dieser Expedition ist auch eine zweite Besteigung des Kutshkulin Sar erfolgt. Die Alpinisten richteten eine neue Route in der Westwand ein, die sich südlicher befindet als die Route der Erstbesteigung im Jahre 1998 durch die vier Sachsen. Des weiteren wurde bekannt, das die Besteigung des noch unbestiegenen Koz Sar wohl in der Sommersaison 1999 durch eine japanische Expedition erfolgt sein soll.

Kutshkulin Sar Auf dem Bild (W.Keller, USA 1999) ist der Kutshkulin Sar mit seiner Westflanke zu sehen. Die Hellblaue Route ist 1999 von der amerikanischen Gruppe erstiegen worden. Die rot gegenzeichnete Aufstiegslinie ist die der Erstbegeher von 1998. Die Erstbegehung erfolgte von einem Lager in 5000m Höhe, das außerhalb dieses Fotos sich befand. Die Erstbesteigungsroute setzte sich aus der Eiswand von ca. 16 Seillängen und dem Gipfelaufbau mit Freigehgelände und erneut 4 Seillängen zum Gipfel zusammen. Dennoch wurde die Erstbegehung binnen 22 Stunden nonstop aus dem Lager in 5000m Höhe durchgeführt. Die Route der 2. Begehung indes wurde mit 3 Lagern versehen. Der Anstieg vom Sattel zum Gipfel gleicht im Bild derer der Erstbegeher. Der Eisabbruch im Gipfelaufbau wurde aber von den Erstbegehern rechts umgangen während die Amerikaner 1999 den Abbruch links umgingen.


Für weitere Informationen zum Karakorum empfehlen wir Ihnen unsere umfangreiche Karakorum-Infoseite.

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