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Sächsische Tienschan Expedition 2000

Erstbesteigungen im Gebiet Kayup-Kap

Diese Expedition wurde nicht vom Alpinclub Sachsen e.V. sondern vom Sächsischen Bergsteigerbund e.V. anläßlich des 10 jährigen Jubiläums seiner Wiedergründung durchgeführt. Die Expedition wurde vom Deutschen Alpenverein (DAV) finanziell unterstützt.
Wir haben den Expeditionsbericht hier mit veröffentlicht, weil angefangen von der Idee über die Vorbereitung bis hin zur Durchführung der Expedition Mitglieder des Alpinclubs Sachsen eine ganz entscheidende Rolle für den Erfolg der Expedition gespielt haben.
Ohne das Expeditions - Know-How und die Gebietskenntnis des ACS wäre die Expedition so sicher nicht durchführbar gewesen. Deshalb sind wir auch stolz auf den Erfolg dieser Expedition - und haben Sie hier mit aufgelistet.

Expeditionsgebiet

Karte Expeditionsgebiet

Für unsere Expedition wählten wir das Terekty-Tal und dort speziell das Gebiet des Kayup-Kap Gletschers aus. Das Terekty-Tal liegt südlich des Inyltschektales und wird von den Gebirgsketten Kaindy im Norden und Maybulak-Tau im Süden begrenzt. Im Osten wird das Tal durch die höchste Kette des Tienschan, die östliche Kokschal-Tau Kette, die gleichzeitig die Grenze zu China bildet abgeschlossen.
Das Tal wurde bisher kaum von Bergsteigern besucht, vereinzelte Gruppen russischer Trekker haben es bisher durchquert.
Verläßliche Literaturquellen existieren nicht oder sind zumindest in Westeuropa nicht bekannt.
Einige wenige Informationen konnten wir über persönliche Kontakte unseres Expeditionsleiters, der den Tienschan zuvor schon zweimal besucht hatte, bekommen. Zum Zeitpunkt der ersten Beschäftigung mit dem Expeditionsgebiet waren die meisten Gipfel des Tales, so auch der höchste von ihnen, der 6073 m hohe Pik Kirow, noch unerstiegen. Das lockte! Anderseits standen uns bis auf die Tatsache, daß es im Tienschan kaum leichte Gipfel gibt, kaum Informationen darüber zur Verfügung, was uns eigentlich erwarten würde. Als Karte stand lediglich die übliche Kammverlaufskarte des zentralen Tienschan im Maßstab 1:150 000 zur Verfügung, die zudem in unserem Gebiet sehr lückenhaft ist.
Inzwischen wurde der Pik Kirow vom gegenüberliegenden Tal aus durch ein russisch-kirgisisches Team bestiegen.
Das Tal ist zu Fuß durch einen anstrengenden, mindestens 6-tägigen Marsch von Maid Adyr zu erreichen, jedoch nur ab September. Vorher verhindert der hohe Wasserstand in den engen Schluchten der Flüsse Sary Dschas und Moy Bash jegliches Durchkommen. Da die für Bergbesteigungen günstige Zeit jedoch bereits im August endet, ist eine Expedition in diesem Gebiet faktisch nur mit Hubschrauberunterstützung möglich.

Expeditionszeitraum

31. Juli - 20. August 2000

Expeditionsmannschaft

Tilo Dittrich, 36    Michael Grohmann, 22    Marion Halbfaß, 21
Annette Longo, 38    Anne Riedel, 28    Dirk Scholze, 36
Christian Walter, 30 - Expeditionsleiter    Sven Zschoche, 32

Expeditionsverlauf

31.07.00 Nach dem Flug von Berlin über Moskau kommen wir pünktlich 2.45 Uhr Ortszeit in Bischkek an. Den Rest der Nacht verbringen wir auf dem Flughafen. Am Morgen werden wir von einem LKW der Agentur abgeholt, bei 8 Leuten plus dazugehörigem Gepäck ist das durchaus angebracht. Wir fahren ins Hotel. Und dann beginnt auch schon das Organisieren. Erst mal vier Mann zur Agentur, dann stürzen wir alle acht über den Markt, um Lebensmittel einzukaufen. Über die Mengen haben wir schon vorher lange diskutiert. Beim Einkauf gibt es immer wieder Diskussionen, nicht so viel hiervon, lieber mehr davon. Die Mengen, die sich vor uns auftürmen sind gewaltig. Aber acht Leute essen auch ganz schön was weg. Wir teilen uns auf. Michael, Dirk und Christian gehen zur Agentur um sich noch um verschiedene Ausrüstungsgegenstände wie Basislagerzelte und Kocher zu kümmern, die anderen fünf besorgen noch die restlichen Lebensmittel auf dem Markt. Abends gehen wir noch Essen, eine richtig urige Kneipe haben wir leider nicht entdeckt, statt dessen gibt es Pizza.

01.08.00 Kurz nach 7.00 Uhr ist der LKW gepackt, und es geht los Richtung Berge. Die Fahrt geht anfangs durch flache, aber schon bald durch hügelige Landschaft. Immer kann man schneebedeckte Berge am Horizont sehen. Gegen Mittag kommen wir zum Issyk-Kul - ein beindruckender Anblick, ein Meer zwischen Bergen. Wir machen eine kurze Badepause, und weiter geht's Richtung Karakol (ehemals Prschewalsk). In Karakol werden noch zwei Propangasflaschen eingepackt und letzte Probleme mit den Papieren unseres Fahrers geklärt, bevor wir 17.30 Uhr nach Mayd-Adyr weiterfahren . In der Dämmerung passieren wir den 3800 m hohen Paß Tschon-Aschu und 22.00 Uhr sind wir dann endlich da. Bei unserer Ankunft werden sorgfältig unsere Pässe und Permits durch den Kontrollposten der dortigen Kaserne kontrolliert. Mit unseren Papieren ist alles in Ordnung, nur bei unserem Fahrer stimmt irgendwas doch nicht ganz. Aber es wird noch mal ein Auge zugedrückt, als Dankeschön gibt's dafür eine Flasche Wodka.

02.08.00 Aufstehen, Auto ausräumen, frühstücken, Camp besichtigen. Das MAZ (Internationales Alpinisten Zentrum) besteht aus ein paar Zelten, einigen nicht sehr einladenden Hütten und Baracken, durch die zum Teil ganz schön der Wind pfeift. Wir bauen ein paar Zelte auf und brechen dann zu einer ersten Akklimatisationstour auf, Christian bleibt beim Gepäck zurück. Direkt über dem Lager steigen wir eine steile Grasrinne hinauf und folgen dann einem Rücken, der zu einem felsigen Grat führt. Oben liegt ziemlich viel Geröll. Annette, Marion, Dirk, Sven und Tilo gehen bis zu dem Gipfel, der in der Karte mit 4087 Meter eingetragen ist. Der Rückweg über den Schotter ist etwas mühsam.

03.08.00 In der Nacht hat es geregnet, also schlafen wir erst mal aus. Heute laufen wir einfach im Tal nach hinten, und dann noch einen Grasrücken nach oben. Auf einen zweiten Schotterberg hat niemand richtig Lust.

04.08.00 Zeitig aufstehen, Zelte zusammenbauen und Sachen im Hubschrauber verpacken. Unser Gepäck wird noch mal gewogen - alles zusammen 625 Kilogramm für acht Leute. Ganz schön viel! 8.20 Uhr startet der Hubschrauber. Gespannt blicken wir aus dem Fenster, versuchen die Linien auf der Karte in der Realität wiederzufinden. Team im Basecamp Nach ca. 20 Minuten Flug kommt "unser Tal". Wir schauen aus dem Fenster, suchen nach einem günstigen Platz für unser Lager. Der Hubschrauber fliegt immer höher, zieht eine Runde über dem Gletscher, fliegt wieder ins Tal und wieder nach oben. Es ist nicht so einfach, auf dem zerrissenen Gletscher einen Platz zum Landen zu finden. Schließlich setzt er mitten auf dem Gletscher in 4100 Meter Höhe auf. Schnell werden unsere Sachen entladen, der Hubschrauber hebt ab und ist schon nach kurzer Zeit nur noch als kleiner Punkt am Horizont zu sehen. Dann ist nichts mehr zu sehen und zu hören. Hier werden wir für die nächsten zwei Wochen unser Basislager aufschlagen, ganz auf uns gestellt und ohne jeden Kontakt ins Tal. Und von hier wird uns der Hubschrauber in 14 Tagen wieder abholen.
Wir bauen unser Lager auf, ein großes Küchenzelt und die vier kleinen Zelte zum Schlafen. Während wir uns bewegen, merken wir den Sauerstoffmangel in der Höhe schon etwas, Kopf- schmerzen oder ähnliche Probleme haben wir aber trotz der kurzen Akklimatisationszeit keine.

05.08.00 Phantastisches Wetter. Wir ziehen los zu einer ersten Erkundungstour, nehmen schon ein paar Zelte und Ausrüstung mit, um weiter oben auf dem Gletscher ein Depot einzurichten. Die Gipfel um uns herum sehen alle nicht sehr einfach aus. Die Flanken sind meist ziemlich steil, Berge zum "einfach nur Hochlaufen" gibt es gar nicht. Besonders der 6073 m hohe Pik Kirov erweist sich als deutlich steiler als erwartet. Auf dem Rückweg kommt uns eine Gruppe russischer Trekker (Perevalniks) entgegen. Wir hatten überhaupt nicht damit gerechnet, in dieser Einöde andere zu treffen, sie sind aber genauso verwundert, uns hier anzutreffen. Sie waren schon 10 Tage von Maid Adyr aus unterwegs, hatten einige extrem schwierige Pässe überschritten und wollen in 6 Tagen das Lager am Fuße des Chan Tengri erreichen, wo frische Lebensmittel für Sie deponiert sind. Sie errichten ihr Zelt weiter oben auf dem Gletscher.

06.08.00 Heute wollen wir den Berg besteigen, der den mittleren Talabschluß bildet.
Pik PanoramaSven berichtet: Die Nacht ist klar und eisig, trotzdem stehen wir um 4.30 Uhr auf, essen und brechen ca. 1 Stunde später auf. Der Morgen graut und mir ist kalt. Ich habe vorsorglich, da keine Wolke am Himmel ist nur einen Pullover an. Bestimmt wird's warm, darum sind die übrigen Sachen im Rucksack. Ich laufe lieber mit Christian zügig den anderen davon. Der Gletscher ist fest vereist und kein Schnee verdeckt die Spalten. Nach einer Stunde bereits erreichen wir unser "Depot". Wir nehmen alles, was wir benötigen, und stürmen weiter. Anne, Michael und Marion sind jetzt bei uns. Die Perevalniks bauen gerade ihre Zelte ab. Wir grüßen uns kurz und reden zwei Worte, dann geht's weiter. Die Sonne bestrahlt jetzt die umliegenden Bergspitzen. Nur unsere Aufstiegsroute liegt noch im Schatten. Lange wird's nicht dauern bis auch hier der Firn weich wird, es ist schließlich ein Südhang.
Wir legen die Eisausrüstung an, und Anne führt. Sie will das Tempo kontrollieren. Eigentlich steigt sie für die ungewohnte Belastung schnell und locker im Steileis. Meine Waden schmerzen bereits nach den ersten 100 m, und ich habe Mühe nicht ständig vom Straffseil gezogen zu werden. So langsam wird die Wand immer steiler. Nun geht's nur noch mit verstärktem Eisgeräteeinsatz weiter.
Plötzlich bricht Michael ein, eine Gletscherspalte in diesem Gelände! Wir haben ihn in der Mitte am Seil, da kann nichts passieren. Michaels erster "Tauchgang" auf unserer Expedition. Später erhält er den Titel "Spaltendachs" wegen seiner häufigen Spaltenstürze.
Wir steigen weiter und jetzt erreicht uns auch die Sonne. Anne steigt wie eine Heldin voraus, so als würde sie nichts anderes im Leben tun. Ich fühle mich im Sandstein eigentlich wohler. Endlich sehen wir die Gipfelkuppe. Wie die der meisten Tienschangipfel ist sie stark überwächtet.
Eine schwierige Passage mit Blankeis erschwert nun den weiteren Weg, und Anne läßt Christian vorsichtshalber voraus. Er steigt ohne Probleme darüber hinweg und holt uns von einem Stand im flacheren Gelände nach.
Anne und dann Michael schaffen es auch, nun bin ich dran. Ich habe lange nicht mehr so etwas geklettert und fühle mich ein wenig unsicher, die Eisgeräte stecken nur wenige Millimeter tief. Ich schlage gerade das rechte Beil höher, da rutscht mir das linke weg. Ein kurzer Schreck folgt. Die Füße stehen gut und das obere Eisbeil hält auch. So was passiert nur durch Unsicherheit, man verkrampft sich und hängt meist nur an den Armen. Das kostet außerdem viel Kraft. Auf die Fußtechnik kommt es wie immer beim Klettern hauptsächlich an. Doch in diesen Bergen wird noch genug Gelegenheit zum Übem sein.
Marion folgt als letzte unserer Seilschaft. Sie hat nur wenig Eiserfahrung, doch sie ist talentiert und steigt ohne zu zögern zu uns hinauf. Wir beschließen zu pausieren und schauen den anderen drei bei der Schinderei im Steilhang zu.
Über uns ist ein Loch, welches sich durch die Überwächtung gebildet hat. Die letzte, noch einmal recht steile Seillänge steigt Tilo vor. Ich erklimme als dritter den Pik. Ich sehe unsere kerzengerade Spur direkt in der Südseite. Es geht auf Mittag zu und die Sonne strahlt warm aus einem tiefblauen Himmel. Von hier aus hat man eine überwältigende Sicht.
Blick vom Pik Panorama zum Pik Pobjeda Alle 8 Expeditionsmitglieder haben es nun geschafft, und wir freuen uns über den gemeinsamen Erfolg. Christian erklärt uns, wie die umliegenden Berge heißen. "... Der da mit dem langgezogenen Grat, das ist der Pik Pobeda. Dort drüben der steile heißt Abalakow, davor der Pik Gorki und diese imposante Spitze ist der Chan Tengri...".
Nicht weit, aber von hier aus unerreichbar, ist der Pik Kirow. Seinetwegen sind wir auf die Idee gekommen den Berg zu besteigen, denn wir wollten wissen, ob es möglich ist, den Pik Kirow über seinen Nordgrat zu erklimmen.
Leider ist dieser Grat messerscharf und teilweise beidseitig überwächtet, darüber sind ringsum Eiswände mit riesigen Séracs. Wir meinen, dieser Weg ist zu gefährlich. Aber auch sonst ist kein halbwegs sicherer Aufstieg auszumachen. Schade!
Doch ein anderer naheliegender Berg, der Pik "Rote Armee" sieht machbar aus, wenn auch nicht gerade einfach. Von hier aus könnte man fast eine Gratwanderung dorthin unternehmen, wären nicht einige große Eisabbrüche dazwischen. Was soll's, wir stehen hier auf einem namenlosen Gipfel, den vielleicht noch niemand bisher bestiegen hat. Auf der einzigen verfügbaren Karte im Maßstab 1:150.000 ist er überhaupt nicht vermerkt aber die zeigt im ganzen Tal ohnehin nur 8 Gipfel und davon nur drei benannte.
Doch das wertvollste ist, daß alle Expeditionsmitglieder diesen Berg gemeinsam erstiegen haben. Das Wetter ist herrlich, und man hat ein traumhaftes Panorama. Moment! Ja so könnte er heißen: Pik "Panorama". Wir sind uns darüber einig. Eine Messung per GPS ergibt 5039 m. Die Höhenmesser bestätigen es in etwa.
Das schwerste steht uns noch bevor. Wir müssen erst heil herunterkommen, um diesen Berg auch wirklich bezwungen zu haben. Der Harsch hat sich in der Mittagssonne zu Schneematsch verwandelt. Hauptsache wir gehen nicht mit diesem Brei ab, darum sichern wir uns in den steilsten Passagen von oben. Tilo und Christian folgen dann abwechselnd von unten gesichert.
So geht der Abstieg zügig und besser als ich dachte. Nun folgt der Bereich mit den Spalten. Diesmal taucht keiner ab. Der weitere Weg ist unproblematisch. Erstaunlich wie schnell man sich an die Steilheit gewöhnt. Mit einer gesunden Vorsicht und Gelassenheit ist der lange Abstieg einfacher. Auch der weite Weg zum Basislager erscheint heute besonders kurz, die Freude über diesen Erfolg und sehnsüchtige Blicke herüber zum Pik Kirow (immer wieder suchen wir nach einer sicheren Linie, doch finden keine) lenken uns ab.


07.08.00 Pausentag ist angesagt. Christian und Annette erkunden den Gletscher unterhalb unseres Lagers, die anderen schleppen Steine für ihre Zelte, damit sie nicht mehr so sehr in der Nässe und Kälte liegen. Abends beschließen wir, wohin wir die nächsten Tage gehen wollen. Annette, Tilo und Dirk wollen eine 2-3 Tagestour zum Pik der Roten Armee machen. Der Rest will an einem Tag auf den Gipfel direkt über unserem Basislager steigen, wir haben ihn Kayup-Kap Wächter genannt, weil er direkt über diesem Gletscher und unserem Basislager thront.

08.08.00 4.00 Uhr ist aufstehen angesagt, gegen 5.30 Uhr starten wir in zwei Gruppen. Zum Pik über dem Lager gibt es aus unserer Sicht zwei Möglichkeiten: den direkten Weg durch den Eisbruchauf das darüberliegende Gletscherbecken, dann über Schotterfelder zum Gratrücken und immer dem schneebedeckten Grat folgend auf den Gipfel. Eine andere Möglichkeit wäre, den Kayup-Kap-Gletscher 2 Stunden abzusteigen bis zum Fuß des Westgrates und dann diesem folgend zum Gipfel zu gehen. Dieser Weg wäre allerdings deutlich länger und so entschließen wir uns für die direkte Variante. Marion erinnert sich:
Es ist Dienstag, 4.15 Uhr früh. Ich begebe mich ins Küchenzelt, in dem sich Michael und Sven schon am Kocher versuchen, der wieder einmal kein Gas geben will. Nachdem der Kocher nun doch funktioniert, kann es Frühstück geben, so daß wir 5.30 Uhr zum Abmarsch bereit sind.
Dirk, Tilo und Annette machen sich auf den Weg zum Pik der Roten Armee. Wir: Anne, Christian, Sven, Michael und ich gehen zum Gipfel südlich vom Basislager. Anne führt uns durch das Labyrinth des stark zerklüfteten Eisbruchs hindurch. Die Jungs hinten am Seil witzeln schon etwas vom "Kirgisischen Roulette".
An einer einer senkrechten 4 m hohen Wandstufe stoppen wir. Ab hier übernimmt Christian die Führung, und wir steigen gesichert nach. Als dieses Stück geschafft ist, queren wir den Gletscher und steigen eine Geröllhalde hinauf auf den Nordgrat. Ich hänge hinterher, weil es mir nicht gelingt, schneller hoch zu laufen als die Steine herunter rollen können.
Kayup-Kap Wächter Am Grat angekommen machen wir eine ausgiebige Pause, und dann geht es "nur noch" den Grat aufwärts. Als wir an eine steilere Passage mit losen Steinen kommen, steigt Christian diese vor. Hier fallen immer wieder Steine, die tosend den unter uns liegenden Schotterhang hinabstürzen. Dann geht es über Firn und Steine hinauf bis zum nächsten Hindernis, das aus einer vereisten Kletterstelle besteht. Als diese überwunden ist, klettern wir auf dem schmalen Grat zum Gipfel hinauf. Zum Glück setzt Christian immer wieder einige Eisschrauben, denn mir ist ein wenig mulmig bei der Sache.
Um 15.00 Uhr stehen wir endlich auf dem Gipfel, und das GPS zeigt 4803 m an. Wir taufen ihn auf den Namen Kayup-Kap Wächter. Jetzt schnell hinab, aber zum Glück nicht den Weg den wir hoch sind. Nach 150 m Abseilen gelangen wir an den Gletscherrand. Noch zweimal über ein Schotterfeld abseilen und dann queren wir auch schon dieses zum Westgrat. Den steigen wir ab, bis uns der Weg von einem Felsturm versperrt wird. Jetzt seilen wir noch einmal 50 m ab und dann fahren wir, ich so gut es geht, eine Geröllhalde hinunter auf den Kayup-Kap Gletscher.
Jetzt ist es 19.35 und wir beginnen mit dem Aufstieg zum Basislager. Zum Glück ist Christian gestern diesen Weg schon gegangen, und hat ihn im GPS gespeichert, denn dies erleichtert den Rückweg ungemein. Gegen 22.00 Uhr, nach fast 16 Stunden tauchen schließlich im Schein der Stirnlampen die Zelte auf. Ab ins Küchenzelt, Rucksack abwerfen und nur noch trinken und essen.


Vom anderen Team berichtet Tilo:

Pik Pyramidenkopf, dahinter Pik der Roten Armee Seit 5.30 Uhr sind wir auf den Beinen. Zunächst zum 5233 m hohen Pik Pyramidenkopf, von dem aus wir dann über den Verbindungsgrat weiter auf den Pik der Roten Armee steigen wollen.
In dem spaltenreichen Zustieg ist die weiche Schneedecke heimtückisch. Dirk und Annette, die meiner Spur folgen, beschweren sich, daß sie ab und zu bis zur Hüfte im Schnee versinken. Ich kann da kaum Mitgefühl aufbringen, denn beim Spuren breche ich als erster sowieso immer tief ein und zum anderen beschäftigt mich mehr, eine sichere und interessante Aufstiegslinie und einen möglichst einfachen Abstieg zu finden. So spiele ich gedanklich einige Varianten durch.
Unser Ziel ist die 680 m hohe Südwand. Die Wand endet an einem Grat der nach Osten zum Fuß des pyramidenförmigen Gipfelaufbaues führt. Wie die meisten interessant aussehenden Berge haben sie meist keinen einfachen Abstieg. Denkbar ist der Abstieg über den gesamten Westgrat, nur endet dieser mit einem Gletscherabbruch oder einer Steilpassage.
Für den Aufstieg schlage ich Annette und Dirk eine direkte Linie zwischen dem séracbedrohten linken Wandteil und der rechten Felsbegrenzung vor. Der Anstieg sieht steil d.h. interessant aus und scheint objektiv sicher zu sein. Dies überzeugt auch Annette und Dirk, klettern wir doch alle lieber im Steileis als das wir im Tiefschnee spuren.
Am Wandfuß (ca. 4500 m) machen wir noch eine Rast, tauschen die Skistöcke gegen die Eisgeräte und packen das Seil in den Rucksack. Seilfrei kommen wir im unteren Wandteil gut voran. Die Schneeauflage wird geringer. Gelegentlich weichen wir in den Fels aus. Die Eisverhaltnisse werden immer besser und die Steilheit nimmt zu. Das Blankeis veranlaßt uns, wieder das Seil auszupacken und von da an klettern wir gesichert. Ich schnaufe voraus, setze ein bis zwei Zwischensicherungen und mache nach 45m Stand. Dirk und Annette steigen gemeinsam nach.
Dirk steigt unter erschwerten Bedingungen. Aus seinem Rucksack stinkt es fürchterlich nach Gas. Wir konnten keine neuen Gaskartuschen bekommen sondern nur alte, bereits entleerte Kartuschen. Diese haben wir mit unserer Basecamp-Gasflasche wiederbefüllt. Nur leider waren die Kartuschen nicht ganz dicht. Man könnte meinen, dies wäre zumindest für Raucher gefährlich. Doch weit gefehlt. Die russische Gasmischung brennt, wie wir später leidvoll erkennen müssen, unheimlich schwer an.
Die Wand will kein Ende nehmen. Die Steilheit wirkt aufgrund des teilweise spröden Eises, der schweren Rucksäcke und der doch spürbaren Höhe noch eindrucksvoller. Das Wandende erscheint nicht mehr weit. Vielleicht noch 2 bis 3 Seillängen. Kaum sind diese geklettert, kommen wir wieder zu derselben Meinung. Dies wiederholt sich mehrmals.
So vergehen die Stunden bis wir den Ausstieg am Grat erreichen. Zufrieden sitzen wir wieder im Tiefschnee und blicken ins Tal. Die Hauptschwierigkeiten haben wir hinter uns. Dirk, der im sächsischen Fels IX klettert, sagt, daß er heute nicht hätte vorsteigen wollen. Dieses Kompliment erfreut mich, zumal ich mich auch in den steilsten Passagen immer wohl gefühlt habe.
Knapp unterhalb des Grates schaffen wir uns mit dem Kochgeschirr und Eisgeräten ein ebenes Plätzchen für unser Zelt (5180 m). Zum Abendbrot gibt es Kartoffelpüree und eine "Heisse Tasse".


09.08.00 In der Nacht schlägt das Wetter um. Ein Sturm kommt auf und es beginnt leicht zu schneien. Wir sind froh unser Zelt etwas unterhalb des Grates errichtet zu haben und so nicht dem größten Wind ausgesetzt zu sein. Am nächsten Tag ist an einen Gipfelgang nicht zu denken.
Wir liegen im Zelt, erzählen alte Geschichten und debattieren über Ausrüstungsthemen. Vorsorglich haben wir unser Essen rationiert. Zum Frühstück gibt es für jeden 3 Löffel Müsli. Als Gelegenheitsvegetarier habe ich einen Schinken dabei. So gibt es zusätzlich eine Scheibe Brot plus eine Scheibe Schinken. Wer kann da nein sagen.


Für unser Team im Basislager ist nach dem anstrengenden gestrigen Tag heute erst mal Pause. Aber das schlechte Wetter verbietet sowieso größere Aktionen. Als wir abends in die Schlafsäcke kriechen hat es angefangen zu schneien, 2-3 cm liegen schon.

10.03.00 Gegen drei Uhr werden wir wach, weil unser Zelt unter der Last des Schnees schon ganz klein geworden ist. Christian und Sven stehen auf und schaufeln über eine Stunde lang die Zelte frei, besonders das große Küchenzelt ist durch den vielen Schnee extrem gefährdet.

Als wir gegen acht Uhr aufstehen schneit es immer noch. Es liegt inzwischen fast ein Meter Neuschnee und wenn man mit Schaufeln an dem einen Ende fertig ist, muß man am anderen wieder anfangen. Am Nachmittag läßt der Schneefall etwas nach, und kurz vor 17.00 Uhr reißt dann der Himmel auf und die Sonne scheint. Wir nutzen die letzte Stunde Sonnenschein um unsere nassen Schlafsäcke zu trocknen. Wie es wohl den dreien da oben am Pik der Roten Armee geht? Tilo berichtet:

Schon oft habe ich gehört, daß das Wetter im Tienschan sehr wechselhaft ist. Dies birgt die Chance, daß nach Schlechtwetter bald Schönwetter folgt. In unserer zweiten Nacht ändert tatsächlich das Wetter. Der Sturm hört auf. Nur kommt statt Schönwetter ergiebiger Schneefall und totaler Nebel.
Alle zwei Stunden muß einer von uns raus, um das Zelt freizuschaufeln. Der Schnee reicht einseitig bis zum Zeltfirst und drückt die Zeltwand nach innen. So wird das Zelt immer enger. Wir rationieren weiter die Essenportionen.


11.08.00 In der Nacht hat es aufgehört zu schneien und am nächsten Tag ist strahlender Sonnenschein. Gegen 7:00 Uhr brechen wir zum Gipfel auf. Der Weg zum Gipfel führt über den Westgrat. Trotz des Neuschnees ist der Weg relativ sicher. Nur einmal bricht Dirk durch die Wächte. Bereits gegen 8:00 Uhr erreichen wir den Gipfel des Piks Pyramidenkopf (5233 m). Vom Gipfel hat man einen super Ausblick in alle Richtungen. Eindrucksvoll sind der Pik Kirow, der lange Anstieg zum Pik Pobeda und der steile Chan Tengri.
Wir diskutieren den Übergang zum Pik der Roten Armee. Jedoch haben die starken Schneefälle verbunden mit starken Wind riesige Wächten an dem Verbindungsgrat zwischen unserem Berg und dem Pik der Roten Armee entstehen lassen. Eine Begehung ist bei diesen Verhältnisse zu riskant. Schnell sind wir uns einig abzusteigen. Dank unserer Aufstiegsspur erreichen wir recht zügig unser Lager. Der Abbau des Zeltes artet richtig in Arbeit aus. Es ist von allen Seiten tief verschneit und wir kommen beim Graben ins Schnaufen. Zum Schluß fehlen uns noch zwei Stocksegmente mit, denen wir das Zelt befestigt hatten. Deren Suche kostet uns eine Dreiviertelstunde.
Gegen 11:00 beginnen wir mit dem Abstieg. Wir sind uns einig, nicht über unsere Aufstiegsroute abzusteigen, sondern über den leichteren Westgrat. Der Westgrat hat zwei Steilstufen. Der Abstieg über die obere Steilstufe ist eindeutig und damit leicht zu finden. Wie wir am besten über die untere Steilstufen auf das Gletscherplateau kommen ist fraglich, da nicht einsehbar. Die Hoffnung, daß am Grat der Neuschnee verblasen ist geht nicht in Erfüllung.
In der ersten tiefverschneiten Steilstufe steige ich voraus, in der Seilmitte folgt Dirk und zum Schluß kommt Annette. Als Annette die steilste Stelle erreicht, löst sich eine Lawine und Annette rutscht auf ihr Richtung Abbruch. Die Adrenalinproduktion wird schlagartig aktiviert. Dirk dreht sich in den Liegestütz. Ich quere auf die Seite und versuche mich zu verankern. Annette rutscht an Dirk vorbei und kommt Gott sei Dank zum Stehen. Noch mal gut gegangen. Keuchend sitzen wir im Schnee.
Wir steigen weiter ab. In den flacheren Passagen müssen wir bis zur Hüfte spuren. Das braucht viel Zeit und zehrt an den Kräften. Das Gelände ist sehr unübersichtlich. Wir steigen bis zum Gletscherabbruch ab. Gut gesichert versuche ich mir von einer Wächte aus einen Überblick zu verschaffen. Der weitere Abstieg wird von labil aussehenden Séracs bedroht. Wir entschließen uns schweren Herzens wieder aufzusteigen und weiter oben in die Südwand zu queren.
Dank unserer eigenen Spur ist der Aufstieg weniger anstrengend als der Abstieg. Wir haben richtig entschieden. Die Südwand ist steil genug, das sich kein Schnee hält. Gesichert klettern wir 8x45 m nach unten. Gegen 18.30 Uhr erreichen wir den Gletscher. Die etwas bedrückende Ungewißheit über den Abstieg ist vorbei und wir sind alle drei erleichtert. Von jetzt an ist es nur noch eine Frage der Kondition, wann wir unser Basecamp erreichen. Der Pudding ruft!
Während des Abstieges hatten wir auf dem Gletscher drei Personen beobachtet, die in unsere Richtung gespurt haben. Das waren sicher Christian, Sven und Michael, die uns entgegengekommen sind. Später sind sie jedoch umgekehrt.
Die Schneeverhältnisse haben sich weiter verschlechtert. Aufgrund der tageszeitlichen Erwärmung und der abendlichen Abkühlung hat sich eine harte Deckschicht gebildet, die jedoch nicht trägt.
Bei jedem Schritt muß erst die Deckschicht durchbrochen werden und anschließend versinkt der jeweils erste bis zur Hüfte im Schnee. So vergeht die Zeit sehr schnell. Wir kommen in die Dunkelheit und es wird bitterkalt. Die Spalteneinbrüche nehmen zu. Längst haben wir aufgehört, sie zu zählen.
Unser Ziel ist es, die Spur unserer Kameraden zu erreichen. Die Dunkelheit macht die Orientierung jedoch schwierig. Wir hatten uns schon fast damit abgefunden eine eigene Spur zum Lager zu spuren, da entdecke ich im Dunkeln einen Stock. Ich steuere direkt darauf zu und breche mit beiden Beinen in einer tiefen Spalte ein. Am Stock finden wir Lebensmittel und eine Thermoskanne mit Tee. Neben dem Tee freuen wir uns vor allem, daß wir jetzt eine Spur haben und schneller vorankommen.
Um halb zwei in der Nacht erreichen wir müde aber glücklich unser Basecamp. Mit einem Ruf nach Pudding wecken wir unsere Freunde und alle kommen zur nächtlichen Party. Anne verpflegt uns köstlich mit überbackenen Käseschnitten nach Schwedenart, viel, viel Tee und Pudding. Gegen drei liegen wir dann wieder in unseren Schlafsäcken.


12.08.00 Am nächsten Morgen ist ausschlafen angesagt. Es werden Sachen getrocknet, Haare gewaschen, gelesen, geschlafen, gegessen und in der Sonne gelegen. An Berge ist noch nicht zu denken, der Schnee ist immer noch viel zu hoch und zu locker. Am Abend nach dem Essen zählen wir die verbleibenden Tage und diskutieren unsere nächsten Ziele. Hoffentlich setzt sich der Schnee bald und das Wetter bleibt schön.

Kayup-Kap-Bashi (5588m)13.08.00 Früh gibt es noch ein paar Sonnenstrahlen, aber schon am Vormittag zieht es immer mehr zu. Wir gehen Eisklettern. In einer riesengroßen Gletscherspalte wird ein Seil befestigt und los geht es. Nach dem Abendbrot werden unserer Ziele für die nächsten Tage geplant. Wir haben nur noch 3 Tage für Gipfelbesteigungen Zeit. Am Donnerstag müssen wir unser Camp schon soweit abbauen und einpacken, daß wir am Freitag früh wieder mit dem Hubschrauber zurückfliegen können. Christian, Till und Sven wollen die 3 Tage zur Besteigung des 5558 m hohen Kayup-Kap-Bashi nutzen, Dirk und Michael wollen zum Pik der Roten Armee. Annette ist krank, und so bleiben Marion und Anne bei ihr.

14.08.00 4.00 Uhr klingelt der Wecker. Das Wetter ist nicht besonders, trotzdem wird gefrühstückt. 4.30 Uhr fängt es an zu schneien und die Sicht wird immer schlechter. 6 Uhr versinkt das Tal endgültig im Nebel und Schneefall und wir wieder im Schlafsack. Das Wetter bessert sich am Nachmittag nur wenig und vom Tal ziehen schon wieder schwarze Wolken zu uns herauf.

15.08.00 Wider erwarten ist das Wetter heute doch recht gut. Wie wäre es denn, wenn wir doch noch losgehen? Eine Zeitreserve ist nicht mehr da, das Wetter muß auch mitspielen, aber versuchen könnte man es ja noch, auf den Pik der Roten Armee zu steigen. Also wird wieder gepackt. Alles Überflüssige wird ausgepackt, für vier Leute muß ein Zelt ausreichen, auch das Essen wird drastisch reduziert. Uns ist klar das wir keinerlei Reserve haben und deshalb bei jeder unvorhergesehenen Schwierigkeit oder Verzögerung umkehren müssen. Wenn es überhaupt noch eine Chance auf einen Berg gibt, dann diese. Dirk und Sven sowie Christian und Till ziehen zusammen los. 11.30 Uhr ist Start. Die Abstiegsspur ist teilweise noch zu sehen und so geht es zügig aufwärts. Gegen 14.00 Uhr ist der Wandfuß erreicht. Nach dem Aufstieg durch eine Rinne erreichen die vier die Eisflanke und klettern dort 3 Seillängen (45°) nach oben auf den unteren Teil des Rückens zum Pik Pyramidenkopf. Sie überqueren den Rücken und stapfen dann noch eine knappe Stunde durch den Schnee des Gletscherbeckens. 18.00 Uhr erreichen sie einen günstigen Platz für das Zelt und schlagen es auf. Es fängt wieder an zu schneien, das Kochen im Zelt gestaltet sich problematisch, am Ende gelingt es bei hohem Brandrisiko doch.

Pik der Roten Armee (Südwand)16.08.00 Die vier Gipfelstürmer stehen 4.00 Uhr auf. Das Kochen und Anziehen zu viert im Zelt dauert lange. 6.30 Uhr geht es dann endlich los. Dirk berichtet: Bei einigermaßen gutem Wetter brechen wir früh auf, laufen im Tiefschnee so an die 100 Höhenmeter, dann steilt die Wand auf und wir fangen an zu sichern. Christian und Till als erste Seilschaft, Sven und ich als zweite.
Wir steigen in geteilter Führung immer das ganze Seil aus, das heißt 45m mit Seil von oben, dann gleich weiter im Vorstieg bis zum nächsten Stand. Ein bis zwei Eisschrauben müssen dabei genügen. Das Eis ist etwas splittrig, natürlich bekommen immer die letzten am meisten auf den Kopf, die Knie und die Hände. Mein Husten wird immer schlimmer und wir werden dadurch etwas langsamer. Trotzdem geht es eigentlich gut voran.
Es wird kälter und wir frieren am Stand immer mehr. Irgendwann haben wir die 500 m hohe und größtenteils 45°-50° steile Eiswand hinter uns und sind am Grat. Wir machen eine kurze Rast und sehen Christian und Till schon ein ganzes Stück vor uns. Für uns ist das günstig, da wir im Tiefschnee nicht so spuren müssen. Da meine Erkältung mir ganz schön zu schaffen macht, gehe ich voraus, um das Tempo anzugeben. Es hat wieder zugezogen und der Gipfel ist im Nebel verschwunden. Manchmal reißt es etwas auf und wir ahnen den Gipfel vor uns. Dann kommen uns Christian und Till vom Gipfel entgegen. Kurze Diskussion - Till meint wir sollen mit absteigen. Aber uns geht es noch ganz gut, es ist erst 13.30 Uhr und wir wollen unbedingt auf den Gipfel.
Also weiter. Der Schnee wird immer tiefer und luftdurchsetzt, auch die schon getretene Spur nützt uns nicht viel, da man bergauf einfach die Löcher tiefer tritt. An einer Querspalte wird dieses bröselige Zeug regelrecht anstrengend. Noch ein paar Höhenmeter, dann wird es langsam etwas flacher - wir sind oben!
Der eigentliche Gipfel ist eine Riesenwächte, deswegen entschließen wir uns nur einzeln auf den höchsten Punkt zu gehen. Geschafft! 5763m ist er hoch. Für Sven absoluter Höhenrekord. Wir freuen uns, doch noch aufgestiegen zu sein. Schnell noch das Gipfelfoto im Nebel, dann treibt uns ein scharfer, kalter Wind nach unten. An der Querspalte wird es noch mal gefährlich. Wir sichern uns gegenseitig. Das hat aber nicht viel Sinn in diesem bodenlosen Zeug. Alles geht gut und wir kommen wieder in flacheres Gelände.
Mit Grausen denken wir an den Abstieg durch die steile Wand. Es reißt auf und wir sehen, das sich Christian und Till dieselben Gedanken gemacht haben. Sie sind an der Stelle vorbeigegangen, an der wir aus der Wand ausgestiegen sind. Sie gehen auf den Grat zu und wollen offensichtlich diesen entlang zum Pik Pyramidenkopf, um dann im flacheren Gelände abzusteigen. Es ist zwar ein Umweg, aber nicht so steil. Der Grat erfordert noch mal unsere ganze Konzentration, denn er ist auf der einen Seite stark überwächtet und auf der anderen steil und voller weichem Schnee - abrutschen darf hier keiner!
Der Grat steilt wieder auf und wir erreichen nach einer Weile den Pik Pyramidenkopf (5233 m). Für Sven noch ein Gipfel, ich war bei unserem letzten Versuch schon hier. Den Rest des Abstieges geht es steiler bergab, aber ohne weitere Schwierigkeiten. Gegen 17.00 Uhr sind wir wieder am Zelt. Es hat schon wieder angefangen zu schneien. Als wir im Zelt liegen, fängt es auch noch an zu gewittern. Zu viert im Zelt ist es trotzdem ganz gemütlich.


17.08.00 14.00 Uhr sollen wir am Basislager sein. Anne hat uns Knödel versprochen! Es ist jetzt also 6 Uhr vor Knödel. Wir brechen das Zelt ab und packen. Es schneit schon wieder, aber wir müssen trotzdem los.
Unsere Spur vom Aufstieg ist nur noch manchmal schemenhaft zu erkennen. Auf einmal reißt es wieder auf - gerade noch rechtzeitig, um den Einstieg in die untere Wand zu finden. Die 300 m hinunter wird es noch mal interessant, irgendwann haben wir es geschafft, versinken aber auf dem flachen Gletscher dafür immer wieder bis über die Hüfte im Schnee. Irgendwann hören wir auch auf zu zählen, wie oft wir in kleinere Spalten einbrechen.
Es zieht wieder zu und schneit. Kurz vor dem Basislager verlieren wir im dichten Nebel fast die Orientierung. Es geht aber alles gut und wir sind pünktlich Eins vor Knödel im Lager. Wir essen unheimliche Mengen und freuen uns, das uns buchstäblich in letzter Minute noch dieser Erfolg gelungen ist! Für morgen früh ist der Hubschrauber bestellt.


Nachmittags werden die Sachen getrocknet und das Einpacken beginnt.

18.08.00 Wir stehen um 4.30 Uhr auf, um die restlichen Sachen einzupacken und unsere Zelte abzubrechen. Anette berichtet: Wir packen unsere Sachen, bauen die Zelte ab, zuletzt das große Küchenzelt. Meine Bedenken werden größer, daß heute kein Hubschrauber kommt. Christian ist voller Optimismus. Die Bergspitzen sind in Wolken, aber der Talboden ist frei. So könnte der Hubschrauber das Tal entlang fliegen. Doch dies ist ein Umweg von über 50 km. Der Hubschrauber steht 50 km Luftlinie von uns entfernt. Die Wolken steigen ein wenig nach oben, das läßt uns hoffen.
Kurz nach 8.00 Uhr sind wir fertig, haben die Gepäckstücke auf eine Plane am Rande unseres planierten Landeplatzes geschleppt und erwarten den Hubschrauber. Doch der Hubschrauber kommt nicht. Wir sitzen auf unseren Stühlen im Kreis und beginnen Karten zu spielen. Der Tisch wird auch noch aufgebaut und es wird eine lustige Knackrunde. Es fängt an zu schneien. Unsere Hoffnung sinkt auf Null. Unsere Füße werden kalt und wir drehen Runden auf der Landepiste. Am Nachmittag zieht eine blaues Sonnenloch vorüber, doch es folgen schwarze Wolken.
Gegen 17.30 Uhr hat Anne die Nase voll vom Warten und beginnt, ein Zelt aufzubauen. Sofort sind alle damit beschäftigt die Zelte aufzuschlagen und die Matten und Schlafsäcke werden wieder hervorgeholt. Es ist kalt und Flocken wirbeln langsam vom Himmel. Eine leckere Kartoffelsuppe wärmt uns leicht auf.
Wir sind beizeiten in den Schlafsäcken und hoffen, nein sehnen den Hubschrauber herbei. Wir diskutieren den "worst case": der Hubschrauber kommt "im Frühjahr oder später"; wissen jedoch, daß er nur bei Sicht navigieren kann. In der Nacht ist es stürmig.


19.8.00 Viertel acht stehe ich auf. Es ist herrliches Wetter, keine Wolke am Himmel. Micha kriecht auch gerade aus dem Zelt. Plötzlich höre ich ein Geräusch. Oh mein Gott, der Hubschrauber. Ich schreie: "Hubschrauber!"
In rasender Eile packe ich mit Tilo unsere Schlafsäcke und Matten in die Rucksäcke, ziehe das Zelt von der Landebahn. Der Hubschrauber dreht eine Runde über uns und landet neben unserer Landepiste. Die anderen haben keine Zeit mehr irgend etwas zusammenzupacken. Die Zelte werden geschlossen, die Stäbe zusammengeklappt und die Zelte so in den Hubschrauber geworfen. Der Pilot hilft uns Gepäckstücke zu tragen, muß sich jedoch immer wieder vor Kälte die Finger reiben. Es ist saukalt, die Sonne hat unseren Lagerplatz noch nicht erreicht. Ich keuche wie ein japsender Hund beim schnellen Schleppen der Gepäckstücke. Alles ist drin, alle rein, los. Schnellstart fertig. Ehe wir uns versehen, fliegt der Hubschrauber schon über den Paß Kayup-Kap und wir sehen, wie steil die andere Seite abfällt. Ein wunderschöner Rundflug Richtung Chan Tengri.
Der Hubschrauber läßt uns auf dem südlichen Inyltschek Gletscher raus. Vom Pobeda-Basecamp werden 20 Leute mit Gepäck geholt und wir werden wieder eingeladen. Eine reichliche halbe Stunde fliegen wir bis Maid-Adyr, vorbei an einer herrlichen Bergkulisse des Inyltschek-Tales. Nach der Landung sortieren wir unsere Sachen auf einer grünen Wiese, welch ein toller Anblick. Das Fahrzeug, das uns nach Karakol bringt, kommt auch schon, also rein und weiter geht es, durch eine enge Schlucht und malerische Täler zurück nach Karakol.


Dort angekommen kratzen wir bei 25°C noch die letzten Eisstücke aus den Zelten und trocknen diese. Dann geben wir die entliehene Ausrüstung zurück und organisieren unsere Fahrt zurück nach Bischkek. Abends genießen wir die Sauna.

20.08.00 Wir fahren am Issyk-Kul entlang nach Tscholpon Ata, wo wir unsere Reise noch mit ein paar schönen Stunden am Strand ausklingen lassen. Die Autos bringen uns dann direkt zum Flughafen von Bischkek. 4 Uhr startet unser Flugzeug nach Moskau und am Abend sind wir wieder zu Hause.


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