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Kaukasusfahrt 1993

Teil 2: Fortsetzung Bericht von Anne Riedel

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Freitag 20.8. Heute ist Pausentag. Einzig zu erledigende Dinge: Brief an zu Hause schreiben und an heimfahrende Touristen loswerden, eventuell anrufen, Klopapier besorgen, irgendwo etwas richtig schönes essen.
Also ziehen wir los Richtung Dorfladen ,der im Russischen Magazin heißt. Der müßte zwar schon seit mehr als einer Stunde geöffnet haben, aber eben nur nach dem Schild, das an der Tür hängt. Im Cafe gegenüber gibts auch noch nichts, da wird erst mal saubergemacht. Also auf zur Post. Dort fühlt sich nach einer Weile jemand verantwortlich und fängt auf unsere Frage nach einer Telefonverbindung nach Deutschland an, an einem vorsintflutlichen Apparat herumzustöpseln. Heute ist keine Verbindung mehr möglich, aber wir könnten es ja morgen früh 8.00 Uhr noch mal probieren. Telegramm? Leider überhaupt nicht möglich. Wieder zurück zum Laden - Fehlanzeige, ist immer noch zu. Vorm Laden steht ein LKW, an dem drei Leute damit beschäftigt sind Tomaten zu verkaufen, wir kaufen 1 Kilo und bringen es zu den Kurdanowas.
Dann fahren wir zum Hotel Itkol. Dort gibt es weder Postkarten (die hoteleigene Post hat zu), noch etwas zu essen (vielleicht 15.00 Uhr wieder). Dafür werden wir unseren Brief an einen vom Kaukasus und dem DAV Summit Club ziemlich enttäuschten deutschen Touristen los, der verspricht, den Brief am Sonntag in Frankfurt einzustecken. Christian will unbedingt zur Tscheget-Bahn, ich will erst etwas essen. Außer einem Marsriegel und einer halben Tafel Schokolade habe ich heute noch nichts zu mir genommen.
Christian zeigt Einsicht und wir fahren in den Ort Elbrus. Nach der Aktion mit dem Brief unser zweites Erfolgserlebnis am heutigen Tag: Gleich am Ortseingang gibt es einen Laden der geöffnet hat. Wir kaufen drei Brote und eine Limonade und ziehen, froh, endlich etwas eßbares erobert zu haben, von dannen. In der stillen Hoffnung irgendwo noch etwas Käse oder ähnliches aufzutreiben, wandern wir weiter durch Elbrus. Dabei treffen wir auf die Post und versuchen uns wiederum an einem Telefongespräch nach Deutschland - erneut Fehlanzeige.
Am anderen Ende des Dorfes gibt es noch einen Laden, aber wie nicht anders zu erwarten, ist der zu.
Wir trampen nun doch nach Tscheget. Dort ist wider Erwarten doch etwas los, ein richtiger Markt existiert, auf dem man sehr schöne handgearbeitete Wollpullover und Strickjacken kaufen kann. Mit dem Sessellift fahren wir bis zur mittleren Station, dem Cafe Ay.
Dort gehts dann nicht mehr weiter. Offiziell läuft der Lift zwar bis 15.30 Uhr, aber wahrscheinlich haben die Angestellten jetzt um 14.00 Uhr keine Lust mehr und wollen nach Hause. Naja, für einen Dollar pro Person würde man uns schon noch fahren lassen. Wir wollen so was erst gar nicht einreißen lassen und winken ab. Im Cafe gibts nichts außer Kaffee und Wodka.
Als wir einfach noch so ein wenig herumspazieren wollen, pfeift uns der Liftboy zurück. Wir sollen zusehen, daß wir wieder nach unten kommen, auch der untere Lift schließt bald (es ist noch nicht einmal 15.00 Uhr). Er ist wohl immer noch ziemlich sauer, daß er seine zwei Dollar nicht bekommen hat.
Also wandern wir zurück nach Terskol direkt zum Magazin. Das ist zwar immer noch zu, aber immerhin stehen schon ein paar Leute davor und so stellen wir uns recht optimistisch dazu. 15.00 Uhr sollte der Laden aufmachen, 15.30 Uhr kommt die Verkäuferin.
Im Laden gibt es Brot, Tee, Waschmittel, ein Paar Schuhe, ein Hemd, mehrere Kämme und Salzlakenkäse. Wir entschließen uns noch ein Brot und ein Stück Käse zu nehmen. Die Verkäuferin nimmt, schon entsetzt wie wir mehr als nur Brot verlangen können, den Käse in die Hand und versucht das Stück auseinanderzubrechen. Da der Käse leider schon recht alt und damit steinhart ist gelingt ihr das nicht, sie wirft Christian das Stück hin (wirklich, sie wirft!!) und meint dann müßten wir eben alles nehmen. Als echter Bergsteiger hat Christian natürlich ein Taschenmesser dabei und schneidet etwas ab.
Bei Frau Kurdanowa in der Küche ist Besuch, ein Grund auch uns gleich zwei Wodka einzufüllen. Danach muß ich mich erst mal hinlegen, so ein russischer Alltag kann doch ganz schön anstrengend sein. Christian macht sich derweilen nützlich, stapelt Bretter und klopft Nägel gerade, die er vorher aus den Brettern gezogen hat.


Samstag 21.8.Der Tscheget-Lift arbeitet natürlich noch nicht, also müssen wir laufen. Zum Glück hält ein LKW an, der irgendwo viel weiter oben zum Mähen fährt, wir werden hinten aufgeladen und in halsbrecherischer Fahrt geht es aufwärts. Fast direkt am Wanderweg zum Dongusorunkelsee werden wir ausgeladen, wir haben ganz schön an Höhenmetern gewonnen. Die ersten die uns entgegenkommen fragen wir nach Tina, Sven und Berti, obwohl es unwahrscheinlich erscheint, daß sie jetzt schon hier sind.
Ja, um die Ecke würde ein Zelt stehen, ist die Antwort. Erwartungsfroh stürze ich los, leider Fehlanzeige. Im Zelt sitzen zwei Russen.
Wir laufen noch ein Stück weiter, machen Pause und beschließen hier zu warten. Christian läuft noch um die Ecke um nach dem zweiten Dongusorunkelsee Ausschau zu halten (die Karten widersprechen sich mal wieder) und entdeckt dabei Tinas Zelt. Als wir näherkommen ist niemand drin. Da es gerade anfängt zu regnen, machen wir es uns im Zelt bequem kommen. Nach zwei Stunden erscheinen Tina, Sven und Berti. Da das Wetter nach wie vor schlecht ist wird Christian überstimmt, heute gehen wir nicht mehr weiter und auch unser Zelt wird aufgebaut.

Aufstieg zum Falschen DongusorunpaßSonntag 22.8. 8.00 Uhr gehts los, erst noch ein Stück im Tal entlang, an der Ruine der Nördlichen Unterkunft vorbei, bis zum oberen Donguserunkelsee (der wider Erwarten doch existiert). Dann werden die Steigeisen angeschnallt und es geht über mittelsteile Schneefelder hinauf zum Falschen Dongusorunpaß (3260 m).
Dort gibt es eine kurze Pause, zu Essen und zu Trinken, Sturm wie im Windkanal und für Berti ein Paar neue Socken. Zum Gletscher auf der anderen Seite geht es über ein kurzes, steiles Felsstück hinab, wir haben mit den schweren Rucksäcken ganz schön zu basteln. Dann geht es wieder über den Gletscher hinauf, immer unterhalb des Nordwest-Grates des Nakra-Tau bis zum Westgrat.
Dort wird schon mal der Aufstieg zum westlichen Nakra-Gletscher begutachtet, zwei Varianten werden diskutiert, aber noch nichts entschieden. Voher müssen wir erst mal eine Rinne finden, auf der wir hinunterkommen. Diese ist dann ziemlich brüchig, wir gehen in Zweiergruppen, die ganze Aktion (150 Meter Abstieg) kostet uns eineinhalb Stunden. Unten angekommen entscheidet sich die Mehrheit für den rechten Weg, ich wäre eigentlich mehr für den linken gewesen.
Berti geht solo voran, Christian mit Tina am Seil und ich mit Sven. Das erste Stück geht recht gut, aber etwas weiter oben kommt Blankeis hervor. Berti kämpft sich mühsam dar über hinweg, empfiehlt uns aber, es weiter links zu versuchen. Sehr weit kommen wir dort auch nicht und so weichen wir auf die Felsen links des Schneefeldes aus. Die Kletterei dort ist nicht schwer, nur dauert es natürlich ein Weilchen, wenn vier Mann in einer Seilscahtd klettern aber ohne Seilsicherung erscheint es uns angesichts der schweren Rucksäcke als zu heikel.
Berti ist längst schon unseren Blicken entschwunden. Über das Eis ging es sicher mühsam, aber auf jeden Fall schneller. So langsam werde ich beim Gedanken an die uns verbleibende Zeit etwas nervös. Es ist ja nicht so, daß wir nicht vorwärts kommen würden, aber es ist schon reichlich spät und es ist noch nicht so genau abzusehen, wie es oben weitergeht. 20.00 Uhr sind wir endlich am oberen Ende der Felsen angelangt. Christian steigt noch etwa ein Seillänge übers steile Schneefeld, dann legt sich der Gletscher.
Tina steigt hinterher. Sven und ich bilden wieder eine Seilschaft. Unser Seil ist nicht ganz so lang, es dauert deshalb etwas länger, bis wir auf dem flachen Stück des Gletschers angelangt sind. Da sind Tina und Christian aber schon aus unserem Blickfeld entschwunden und die Dämmerung ist ziemlich fortgeschritten. Beim dritten Versuch finde ich endlich den richtigen Weg aus dem Spaltenlabyrinth. Dann kommen wir schnell wieder auf ein geschlossene Oberfl äche. Vor uns liegt jetzt nur noch eine Fußspur, die von Tina und Christian stammt und sich irgendwo weiter hinten verliert. Eigentlich könnte uns ja wirklich mal jemand entgegenkommen.
Endlich blinkt eine Stirnlampe. Christian kommt zu uns und erzählt, daß es zu Tina nicht mehr weit ist, er jedoch noch Berti suchen wird, von dem jede Spur fehlt. Sven und ich schleppen uns noch das letzte Stück bis zu Tina und bauen das eine Zelt auf, das andere ist bei Berti. Christian kommt mit der Nachricht zurück, das Berti wieder abgestiegen ist, er hätte bis 20.00 Uhr gewartet und dann vermutet, daß wir es nicht bis hoch geschafft hätten und deshalb wieder abgeseilt wären.
Also steht fest, daß wir die Nacht hier oben irgendwie zu viert mit einem Zelt zubringen müssen. Christian erklärt sich bereit draußen im Biwaksack zu schlafen. Aber erst mal gibts Abendbrot: Brot, Käse und Tomaten. Der Tee wird auf dem Gaskocher gekocht, da mittlerweile beide XGK den Geist aufgegeben haben.
Völlig erschöpft und reichlich spät fallen wir dann in unsere Schlafsäcke. Von draußen schwärmt uns Christian noch eine ganze Weile was vom schönen Sternenhimmel und den vielen Sternschnuppen vor - trotzdem wärmer ist es sicherlich im Zelt.

Montag 23.8. Viel früher als erwartet, taucht Berti auf. Er ist den linken Weg gegangen und hat statt fünf Stunden, die wir benötigt haben, nur eine Stunde gebraucht. Erst mal gibt es Frühstück, aber bald danach verschwinden Sven und Tina wieder in ihren Schlafsäcken, ich bin gar nicht erst aufgestanden.
Christian unternimmt noch einige Versuche mich für irgendwas zu begeistern, verständlich, draußen ist herrlichstes Wetter. Aber alles vergeblich, ich bin einfach noch zu kaputt von der gestrigen Anstrengung. Ich schlafe wieder fest ein und wache auf als es ungemütlich warm wird im Zelt. Als ich aus dem Zelt krabble begrüßt mich Tina mit "Schlafmütze, es ist halb zwei!" Ist egal, mir gehts jedenfalls wieder besser und Tina und Sven haben immerhin auch bis 12.00 Uhr geschlafen.
Berti und Christian sind unterwegs, sie besteigen den 3702 m hohen Pik Kwitschi.

Nakra TauDienstag 24.8. Draußen ist es ekelhaft windig und total kalt - es kostet mächtig viel Überwindung, da aus dem Schlafsack zu krabbeln. Als wir losgehen ist es 7.10 Uhr. Heute soll der Nakra Tau bestiegen werden. Es geht über Schneefelder, erst flacher, dann immer steiler werdend. Im Bender sind vier Stunden angegeben, wir sind schon nach weniger als zwei kurz unter dem Gipfel. Dort wird es allerdings so eisig, daß wir auf den rechten Felsgrat ausweichen.
Gegen 9.00 Uhr stehen wir alle zusammen auf dem Gipfel (4277 m), endlich in der Sonne. Dafür ist es aber ganz schön stürmig. Der Himmel ist wolkenlos, aber da es ziemlich diesig ist, können wir trotzdem nicht sehr weit sehen. Reichlich eineinhalb Stunden sitzen wir oben, so richtig genießen kann ich den Gipfelerfolg allerdings nicht, mir ist etwas kalt.
Beim Abstieg gehen wir über den linken Felsgrat, das ist sicherlich wesentlich angenehmer, als durchs Eis. Fast ein Drittel des Weges können wir so zurücklegen, dann werden die Steigeisen wieder angeschnallt und es geht denselben Weg zurück, den wir gekommen sind.
Tina hat ganz schöne Mühe mit dem Abstieg, vor 14 Tagen ging es mir am Pik Kawkas noch genauso. Tina, Sven und ich wollen noch den Pik Kwitschi besteigen, das ist nur ein kleiner Umweg.
Das klingt ziemlich gut, an einem Tag einen Viertausender und einen Dreitausender bestiegen, dabei ist der Kwitschi eher ein Spaziergang, der Gipfel ist nur ca. 100 Meter höher als unser Lager.
Sobald die Sonne dem Horizont entgegensinkt wird es empfindlich kalt. Christian läßt es sich trotzdem nich nehmen, noch eine Fotoserie vom Sonnenuntergang zu knipsen.

Mittwoch 25.8. Kurz nach 6.00 Uhr habe ich ausgeträumt. Christian hantiert schon mit dem Kocher, doch dieser streikt mal wieder. Dann ist er ganz aus und beim Versuch ihn wieder in Gang zu setzen wirft er uns eine derartige Flamme entgegen, daß Christian vor Schreck erst mal das halbwarme Wasser im Zelt verteilt. Zum Glück haben wir gleich die Handtücher griffbereit, so daß außer ihnen nicht viel naß wird.
7.30 Uhr geht es dann endlich los Richtung Dongusorun. Anfänglich gehen wir über flachen Gletscher zum Bergfuß, dann wird es steiler. Hin und wieder gibt es ein paar Spalten und Bergschründe zu überwinden, aber das ist alles nicht sehr gefährlich. Sicherheitshalber legen wir trotzdem das Seil an. Heute ist es nicht ganz so windig wie gestern, aber wieder wolkenloser blauer Himmel. Das letzte Stück vor dem Gipfelgrat geht es über ein ziemlich steiles Schnee- und Eisfeld.
Berti sichert Tina an Eisschrauben, Sven und ich krabbeln auf allen vieren und Christian spaziert locker vorbei.
Ca. 10.15 Uhr sind wir alle auf dem Westgipfel (4437 Meter). Nach einer kleinen Pause steigen wir weiter zum Hauptgipfel (4454 Meter), auch wenn es ein Weilchen braucht, bis wir Tina davon überzeugt haben, daß es wirklich nur ein Spaziergang ist. Vom Hauptgipfel haben wir einen wunderbaren Rundblick, sogar der Pik Kawkas lacht uns mal wieder aus. Nur leider ist es wie schon gestern ziemlich diesig. Zurück zum Westgipfel gehts einfach, danach wird über das Eisfeld abgeseilt.
Ich steige ab und bin erstaunt, wie schnell das geht. Dann gehen wir über die Bergschründe noch ein Stück am Seil und ca 15.00 Uhr sind wir wieder am Beginn des flachen Gletschers.

Abstieg vom Nakra-Tau PlateauDonnerstag 26.8. Heute stehen wir erst auf, nachdem die Sonne unsere Zelte erreicht hat. Dann geht das große Packen los, es dauert zwei Stunden, ehe alle alles so in ihre Rucksäcke verstaut haben. Als wir losziehen ist es 10.30 Uhr.
Für den Abstieg nehmen wir die von Berti schon getestete Route. Wir seilen ab, was sicher länger dauert, aber mit den schweren Rucksäcken leichter geht. Nur Berti muß absteigen, um uns die Seile oben wieder zu lösen, er kennt den Weg ja schon bestens. Und damit er es nicht ganz so schwer hat, tausche ich meinen Karrimor ultralight gegen seine nahezu 30 Kilogramm. Für die drei Seillängen a 80 Meter benötigen wir fast anderthalb Stunden.
Dann sitzen wir noch ein Weilchen gemütlich auf dem Gletscher herum, ehe Tina, Sven und Berti sich ins Seil einbinden und talabwärts ziehen. Während unserer Pause schaue ich mir den Nordwestgrat des Nakra Tau genauer an, ein nicht zu steiler Weg ohne Gendarmen, Eis und Schnee nur beim Aufstieg zum Grat, ansonsten nur Kletterei. Im Bender ist er mit 2B angegeben, müßte also gut machbar sein. Christian ist sofort begeistert, er hat wohl schon vorher damit geliebäugelt.
Also schlagen wir unser Zelt auf. Leider ziehen am Nachmittag immer mehr Wolken auf und schon bald nach dem Einschlafen werden wir von einem Gewitter geweckt. Auf das Zelt prasseln kleine kugelrunde Hagelkörner. Rund um uns blitzt und kracht es mächtig. Zum Glück bin ich zu müde um richtig Angst zu kriegen. Mit dem Hagel sind dann auch unsere Pläne für morgen gestorben, auf eisbedeckten Felsen klettert es sich nun mal nicht so gut.

Freitag 27.8. Als wir morgens aus dem Zelt schauen ist es 8.30 Uhr, der Himmel ist blau, die Berge weiß überzogen aber die ersten dunklen Wolken ziehen schon wieder heran. Der ganze Gletscher ist von einer Schicht kleiner weißer Kugeln überzogen, ich finde sie ziemlich lustig.
Die steile Schotterrinne vom Hinweg, vor der ich mich schon etwas gefürchtet hatte bewältigen wir in einer dreiviertel Stunde. Oben angekommen wird das Wetter ziemlich eklig, Nebel zieht auf und es beginnt zu regnen. Wenn wir den falschen Dongusorunpaß nicht schon abgestiegen wären, hätten wir den Einstieg sicher nicht so einfach gefunden.
Als wir oben auf dem Paß stehen ist auf der anderen Seite noch halbwegs brauchbares Wetter, aber sobald wir absteigen regnet es auch hier in Strömen. Über den Gletscher hinab, an den Resten der Nördlichen Unterkunft vorbei geht es in Richtung Tscheget Hotel. Als wir endlich unten angekommen sind, ist es 17.30 Uhr. Wir ziehen weiter nach Terskol zu Frau Kurdanowa.
Robert ist immer noch nicht da, dafür gibt es im Haus schon wieder drei neue Gesichter. Ich sitze in der Küche herum, während Christian Heu in die Scheune einstapelt. Nachher sitzen wir noch ein Weilchen mit den Kurdanowas zusammen.

Samstag 28.8. Seit einer Woche habe ich eine Allergie am Fuß, vom Pflaster. Erst hat es nur etwas gekrabbelt, aber jetzt breitet es sich immer mehr aus und juckt so sehr, daß ich auch in der Nacht oft davon wach werde. Wir wollen deswegen nach Tyrnyauz in die Poliklinik fahren.
Als wir die Poliklinik dann endlich gefunden haben, werden wir von einer Frau mit der Nachricht beglückt, daß jetzt (12.00 Uhr) kein Arzt mehr da wäre. Also ziehen wir zur Apotheke weiter, wo unser Problem zwar schnell verstanden wird, passende Medizin jedoch leider nicht vorhanden ist. Da wir bei Arzt und Apotheke nichts bedeutendes erreicht haben, ziehen wir weiter zum Basar, um verschieden Einkäufe für die Kurdanowas zu tätigen.
Ansonsten gibt es in Tyrnyauz nicht viel zu sehen. Wir beschließen zurückzufahren. Irgendwann kommt der Bus, allerdings bleibt er auch schon nach einem Viertel der Strecke wieder stehen. "Bus kaputt, alles austeigen, laufen!" Mit den schweren Einkaufstaschen ist das nicht unbedingt ein Vergnügen. Zum Glück ergattern wir zwei Plätze in einem vorbeifahrenden Kleinbus. Bemerkenswert hemmungslos sind die russischen Babuschkas beim Run auf die begehrten Plätze, sie schubsen und drängeln, das man jeden Respekt vor ihrem Alter verlieren könnte.
Zum Abendbrot mache ich für alle Rührei mit Tomaten und Paprika. Ljula hat den Tisch richtig festlich gedeckt.

Sonntag 29.9. Auf Anraten von Ljula und mit ihrem Empfehlungsschreiben versehen ziehen wir frühmorgens los zu Onkel Sascha (Alexander Nikolajewitsch), der sich meine Füße anschauen soll. "Ganz bestimmt ist es eine Allergie, sieht ganz so aus."
Ich bekomme Unguentum synaflani (was immer das sein mag), Waschungen mit schwefelhaltigem Quellwasser und Ruhe verschrieben. Statt faul in der Sonne zu liegen und zu lesen, wie ich das eigentlich vorhatte, beschäftige ich mit den Kindern Asamat und Alina. Ich verstehe zwar fast nichts von dem, was sie mir so erzählen, aber sie scheint das offensichtlich nicht zu stören und wir werden trotzdem Freunde. Christian repariert in der Zeit zusammen mit Ljala das Schuppendach.
Am Nachmittag gehen wir beide noch mal zur Schwefelquelle. Danach werden die Rucksäcke gepackt, wenn die Füße nur einigermaßen mitspielen, werden wir morgen losgehen.
Als Christian das Kletterzeug aussortiert schauen Asamat und Alina voller Interesse zu.
Am Abend kommt Onkel Sascha vorbei und verordnet mir ein heißes Fußbad in einem Auszug aus Brennesseln, Kiefernnadeln, Spitzwegerich und Kamille. Nachdem ich seit mehr als drei Wochen keinen Tropfen warmes Wasser zu Verfügung hatte, kommt mir das Fußbad irre heiß und die ganze Prozedur eher wie eine mittelalterliche Foltermethode vor. Christian prägt deshalb den Begriff der "Riedel-Bäder": vom handwarmen Kräuterauszug ins lauwarme Schwefelwasser.

Montag 30.8. Früh wird als erstes der Schuh anprobiert - paßt! Da kann es ja eigentlich losgehen. Aber so richtig gut sieht es trotzdem nicht aus. Der Knöchel ist zwar nicht mehr ganz so dick, aber es juckt und krabbelt immer noch. Deshalb besteht Christian, obwohl es ihm sichtlich schwer fällt die Berge noch länger aufzuschieben, auf einem Arztbesuch in Tyrnyauz.
Mir ist das auch nicht so ganz recht, aber das Vernünftigste ist es vermutlich. Durch den Samstag gewarnt fahren wir diesmal zeitiger los, vielleicht arbeitet der Arzt ja nur bis Mittag.
10.30 Uhr sind wir da, aber wieder Fehlanzeige: 14.00 Uhr dürfen wir uns im Kabinett 9 melden. Die Ärztin schaut sich meine Füße recht interessiert an, kann uns aber leider auch nicht weiter helfen, da sie schon weiß, was es an Arzneimitteln in Tyrnyauz alles nicht gibt. Ich bekomme einen Zettel mit, vielleicht hat ja der Medpunkt in Terskol noch ein paar stille Reserven. Auf jeden Fall soll ich die nächsten Tage viel ohne Schuhe laufen. Was wird jetzt aus den Bergen? Christian meint, daß uns da eigentllich nur die Heimfahrt bleibt und ich muß einsehen, daß er recht hat.
Aber vorher will er noch den Elbrus besteigen, an einem Tag von Terskol aus, das sind 3500 Höhenmeter. Und da gerade Vollmond ist, wird der nächste Tag, bzw. die Nacht als Termin festgesetzt. In Terskol angekommen gibt es eine Überraschung: Tina, Sven und Berti sind auch eingetroffen. Wir schwatzen und erzählen, was in der Zwischenzeit so alles passiert ist.
Ljula habe ich derweilen meinen Arzneizettel ausgehändigt. Sie macht mir keine große Hoffnung auf den Medpunkt, aber in ihrer Hausapotheke (zwei große Pappkartons voller größtenteils überlagerter Medikamente) finden sich zumindest "Suprestat" und "Seljonik", eine mysteriöse grüne Flüssigkeit. Am Abend freuen sich dann alle über meine schönen grünen Füße.
Wir gehen nicht allzu spät ins Bett, Christian will ja um 1.30 Uhr wieder aufstehen. Die Kurdanowas schütteln über das Vorhaben nur den Kopf, ich glaube sie schwanken immer zwischen Bewunderung und Bedauern ("Elbrus, bei Nacht und allein, der arme Irre!").

Elbrus Dienstag 31.8. Mitten in der Nacht klingelt der Wecker. Ich stehe mit auf, einer muß ja schließlich nachschauen, daß Christian noch ordentlich ißt und sich warm genug anzieht. Punkt zwei Uhr zieht er los, er wird schon wissen was er macht!
Kurz nach acht weckt mich Tina, gemeinsam frühstücken wir in aller Ruhe und beschließen dann, gemeinsam nach Elbrus zu gehen. Da es in Elbrus nicht viel auszurichten gibt, ziehen wir nach Tyrnyauz weiter und kommen erst relativ spät wieder nach Terskol zurück. Christian ist schon lange wieder da. Zwei Uhr in Terskol (2100 m) gestartet, war er schon vor 6.00 Uhr am Prijut 11 (4100 m) und 7.00 Uhr am Pastuchov-Felsen (4600 m). Das sind 2500 Meter in fünf Stunden - wirklich nicht schlecht. Dann war es aber mit der Sicht völlig vorbei, (vom um 2.00 Uhr noch scheinenden Vollmond war schon nach einer Stunde nicht mehr viel zu sehen), zudem war es ziemlich stürmig und eisig kalt.
Da man am Elbrus aber zumindest 200 Meter Sichtweite braucht um den Weg über den Gletscher zu finden, und alle anderen (die natürlich vom 4100m hohen Prijut starteten) schon umgekehrt waren, blieb ihm auch nicht viel anderes übrig, als kehrt zu machen. Kurz nach 10.00 Uhr war er dann schon wieder in Terskol, als kleiner Morgenspaziergang wirklich nicht übel.
Eigentlich würde er es gern noch einmal probieren, der Mond stände immer noch günstig, aber als es sich gegen Abend immer mehr zuzieht heißt es: dann eben nicht, morgen fahren wir!
Das hieße aber Rucksack abends noch packen und morgens zeitig mit dem ersten Bus um 6.30 Uhr nach Minwody. Der Entschluß kommt für alle ein wenig plötzlich, ich habe gar keine Zeit, mich seelisch und moralisch auf Abschiednehmen und Heimreise vorzubereiten. Auch Ljula würde uns jetzt am liebsten noch länger hier behalten. Ich schwatze noch etwas mit ihr; es ist erstaunlich, wie gut man sich mit 20 Worten Russisch und etwas guten Willen unterhalten kann.
Während ich dann meinen Rucksack packe (Christian war wieder mal schneller und ist schon fertig), sitzt Christian noch bei den Kurdanowas in der Küche, trinkt ein paar Wodka und muß sich zum wiederhohlten Mal anhören, daß er mich auf jeden Fall heiraten soll. Vor allem die Großmutter scheint sehr darauf zu bestehen. Ob er sich wohl ausnahmsweise mal an den Rat der erfahrenen alten Leute hält?
Wir verabschieden uns von der Großmutter (Ljula und Ljala wollen früh morgens noch aufstehen um uns zu verabschieden) und gehen, nachdem fast alles gepackt ist, endlich ins Bett.

Mittwoch 1.9. Fast hätten wir es verschlafen, es bleibt uns nur noch eine halbe Stunde ehe der Bus fährt. Ljula und Ljala haben es offenbar ganz verschlafen; schade so können wir uns gar nicht richtig verabschieden und noch einmal bedanken. Wir sind hier wirklich total nett aufgenommen wurden. Aber extra wecken wollen wir sie natürlich nicht.
Als wir an der Bushaltestelle stehen, ist mir gar nicht wie heimfahren zumute. Oder zumindest bin ich mir der riesigen Distanz die zwischen hier und Dresden liegt gar nicht bewußt. Mir kommt es so vor, als könne ich jederzeit, sooft ich will und sofort wieder hierher zurückkommen. Vielleicht komme ich ja auch mal wieder hierher zurück, auf jeden Fall werden meine Gedanken oft hier sein.
Der Bus kommt pünktlich und so sind wir gegen 11.00 Uhr in Minwody. Es ist wolkenverhangen und immer wieder gibt es Nieselregen. Dieses Wetter macht uns den Abschied etwas leichter.
In Minwody gibt es erst mal keine Flugtickets nach Minsk, die Maschine heute ist ausgebucht und morgen fliegt keine. Also warten wir. Kurz vor Abflug gibt es dann doch noch zwei Flugtickets für uns.
Um 19.00 Uhr geht es los und um 20.15 Uhr Minsker Zeit (21.15 Uhr in Minwody) kommen wir an. Mit dem Flughafenexpress geht es nach Minsk zum Hauptbahnhof. Dort ist 23 Uhr noch mächtiger Betrieb, aber der Schalter, an dem Liegewagenplätze ins Ausland verkauft werden, hat zu.
Außerdem befindet er sich auch nicht auf dem Bahnhof (wie kann man nur Fahrkarten auf dem Bahnhof kaufen wollen), sondern irgendwo in der Stadt und macht morgen früh 7.00 Uhr wieder auf. Dann sind aber die Züge nach Warschau, Berlin und Prag, erst mal weg. Also werden wir mit dem nächsten Zug Richtung Grenze fahren.

Donnerstag 2.9. Ich bin noch total müde als der Schaffner uns aufweckt: "Aufstehen, gleich kommt Brest!" Es ist vielleicht 5.00 Uhr und wir machen es uns erst mal in der Bahnhofshalle bequem. So richtig gemütlich ist das dort nicht, es ist schmutzig, kalt zugig und sieht aus wie eine Abstellkammer für Spielautomaten.
Christian zieht los um irgendwoher Zugtickets zu besorgen. Für die Schlafwagenzüge ist das hier auch nicht möglich, aber nach einigen Anläufen gelingt es, Fahrkarten für 10.00 Uhr nach Warschau zu bekommen. (11 Dollar je Person, Tickets fürs Ausland müssen mit Devisen bezahlt werden).
Bis kurz nach 8.00 Uhr sitzen wir noch herum, versuchen etwas eßbares zu organisieren, Christian wirft einen kurzen Blick auf Brest und ich schlafe. Dann ist etwas Streß, weil wir noch zur Grenz- und Zollabfertigung müssen. Pünktlich 10 Uhr fährt der Zug nach Warschau los. Dresden erreichen wir am nächsten Morgen

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